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Blogstöckchen: Was wäre wenn?

Es ist mal wieder ein Blogstöcken unterwegs, das ich im Grunde langweilig fand, bis ich die Antworten anderer blogger gelesen habe: Anke Domscheit-Berg, Mama arbeitet, Robin Urban, Onyx, Wolke Rosa, Breakpoint, Schwulemiker, Familie rockt, AllesEvolution, Der Jüngling, 40-something, krachbumm, Sascha, Wolke Rosa, Graublau, Mrs Chaoslife, ehrlich gesagt, Tom 174, munichs-working-mom, Falk Schreiber, Nic, Miria, Luzia Pimpinella, Papa rockt, Charis, Anne Wizorek, tempovoyager, berlinmittemomKaiserinnenreich, mama-notes, die schlimme helena, emannzer, Nicole, Fee, Sonea, Große Köpfe, Inka, Hans, Nora, nike, littlebinhh, Linkshänderin, rosarood. Da hatte ich plötzlich irgendwie das Gefühl, das etwas Wesentliches fehlt: Hier sind also meine Antworten.

Was wäre anders in deinem Leben, in deinem Alltag, wenn du eine Frau wärst?

In meinen Leben wäre einiges anders verlaufen: Ich wäre von meinem Vater nicht mit dieser unerbittlichen Härte und Brutalität rangenommen worden, sondern ich wäre liebevoll gefördert und tolerant beraten, anstatt einfach nur mit allen wesentlichen Dingen allein und im Stich gelassen worden. Ich hätte mich als Frau auch nicht durch die Grundschule prügeln müssen, darauf hatte ich auch nicht wirklich Lust. Sodann hätte ich in der Pubertät ganz viele Jungs gehabt, die mir erzählt hätten, wie toll ich bin und ich hätte sie alle durchgevögelt nach Lust und Laune. Ok, ich hätte mir das üble Gezicke meiner Mitfrauen anhören müssen, aber das wäre mir ziemlich egal gewesen, denn es hätte genug Jungs gegeben, mit denen ich mich hätte trösten können. Ich hätte, wo immer ich hinkomme, das Gefühl gehabt, willkommen und erwünscht zu sein und außerdem hätte ich etwas am eigenen Leib erleben können, was ich als Mann mir später kompliziert überlegen mußte: Wie es ist, einfach nur ich zu sein und gerade deshalb Macht über andere Männer zu haben, erleben zu können, wie sie sich meinen Bedingungen unterordnen, machen zu können, daß sie mich ansprechen, machen zu können, daß sie mit mir schlafen, daß sie tun, was meine Laune gerade ausspuckt und machen zu können, daß sie weinen. Sicher wäre ich mir auch ein wenig seltsam vorgekommen, wie in einem Film, denn ich hätte überhaupt nicht verstanden, wie man sich als Mann wegen Beziehungen und Sex so den Kopf machen kann. Aber lange hätte mich das sicher nicht davon abgelenkt, es mir gut gehen zu lassen. Es wäre überhaupt alles viel bequemer gewesen, ich wäre mit dem Bus gefahren oder mit dem Auto gebracht worden, ich hätte mich nicht täglich auf dem Rad abgeschwitzt und Männer hätten sich um mich gekümmert und viel Geld ausgegeben, nur um mich lächeln zu sehen. Auch meine Sexualität wäre eine ganz andere geworden, ich hätte mir von älteren Männer zeigen lassen, wie ich mich selbst genießen kann und viele Peinlichkeiten im Bett wären mir erspart geblieben, denn ich hätte mit allem einfach solange gewartet, bis mir ein Mann das zusammen mit einem guten Gefühl in den Schoß legt. Das wäre sicher nicht ohne Ärger abgelaufen, ich hätte meine Meinung eventuell alle 10min ändern müssen, aber soll’s – ich bin ja schließlich eine Frau. Mein Alltag heute würde deutlich anders aussehen, viel langweiliger, gleichförmiger und berechenbarer: Weil ich mir als Frau allein schon genügt hätte, hätte ich mir an der Uni nicht so viel Stress gemacht, ich hätte einen sicheren und simplen Job und würde einfach darauf warten, daß ein Mann kommt, der mir die große weite Welt zeigt und eröffnet. Denn auch das wäre anders: Ich hätte nicht wie als Mann das Gefühl, die Welt zu rocken, sondern von ihr durch eine Glasscheibe getrennt zu sein, daß sie an mir vorbeiläuft und sich alle Dinge irgendwie und magisch unbeeinflußbar wiederholen. Und ich würde einfach nicht verstehen, wieso. Stattdessen würde ich mir meine Männer nach dem Wert aussuchen, den sie durch Geld, Intelligenz, Aussehen und Ansehen haben, nicht aber nach ihrer Fähigkeit, durch soziale Kompetenz Glück zu erzeugen. Und wenn mich dieses Verfahren nicht satt und glücklich machen würde, dann würde ich öffentlich erklären, daß alle Männer Schweine sind – und die Welt würde mir recht geben.

Was tust du nur deshalb, weil du ein Mann bist?

Selbstoptimierung – jeden Tag und in jeder Hinsicht. Ich mache mich nützlich für andere, für die Allgemeinheit, ich übernehme Verantwortung für andere, wo ich sie brach rumliegen sehe – auch dann, wenn es keiner sieht – ich fördere andere Menschen, ohne etwas dafür zu bekommen oder zu verlangen. Ich komme mir alle 3-4 Wochen vor, wie der letzte Idiot, ich mache körperlich schwere Arbeiten – auch für andere – und ich beklage mich niemals. Vor allem aber suche ich meinen eigenen Weg und schere mich einen Dreck darum, ob das den gesellschaftichen Konventionen genügt oder nicht. Ich pfeife auf meinen Ruf, breche Regeln, wo es dem Erfolg dient und lasse mich bei all dem auf gar keinen Fall erwischen, denn ich weiß, daß niemand mich beschützen wird.

Was tust du nicht / welche Dinge lässt du lieber, weil du ein Mann bist?

Ich tue so, als hätte ich keine Sexualität. Ich versuche jede Art von persönlichem Kontakt zu Frauen im Alltag zu vermeiden, denn alles, was ich tue, wird mir sexuell ausgelegt. Ich meide Kinder und öffentliche Plätze, wo Kinder sind, denn sie gehen oft unbefangen auf mich zu und das allein bringt mich einem Gespräch mit der Polizei gefährlich nahe. Ich fahre nicht mit Frauen allein im Fahrstuhl und ich versuche, zu vermeiden, mit einer Frau allein im Raum zu sein. Auf keinen Fall schließe ich in so einem Fall die Tür. Überhaupt versuche ich es, zu vermeiden, in der Öffentlichkeit als Person sichtbar zu werden und tue eine Menge, um nur als Aufgabenerfüller, als Funktionssklave und Auftragsgehilfe in Erscheinung zu treten. Das gilt auch dann, wenn ich eine Initiative starte – und ich starte immer alle Initiativen gegenüber Frauen – denn dann stelle ich mich gut für alle sichtbar in den Dienst einer hoffentlich gemeinsam geteilten Vision: team playing ist oberstes Gebot, Alleingänge kommen niemals gut an. Und ich schaue Männern, die ich nicht kenne, nicht zu lange in die Augen und ich gebe auch niemals weiblichen Bettlern Geld. Das gebe ich nur den männlichen Bettlern, um die schert sich ja sonst kein Schwein. Vor allem Frauen würden so gut wie niemals einem Mann helfen.

Durch welches Klischee fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?

Vor allem durch die totale und allgegenwärtige Sexualisierung von Männern: Angeblich tue ich alles, was ich mache, nur deshalb, um Frauen zu ficken – wobei es mir natürlich nur egoistisch um meine Lust geht – und eine Frau kann angeblich auch alles von mir gekommen, falls sie mir nur einen bläßt. Ansonsten sind Männer angeblich primitiv, dumm, ungeschickt, unmoralisch, unzivilisiert, pädophil, roh und gefühllos, unästhetisch, aggressiv, unsympathisch, gewaltbereit, genetisch minderwertig, belästigend, völlig überflüssig, und völlig unfähig, auch nur im Ansatz zu verstehen, was in anderen Menschen vorgeht. Männer kann man angeblich ruhig grob und barsch behandeln, die merken das ja sowieso nichts und sind beliebig belastbar, weil sie ja eh keine Gefühle haben und nur Tiere sind. Stattdessen kann man Männern angeblich höchstens dadurch einen Wert verleihen, indem man sie für Frauen nützlich sein läßt, sie ihre Rechnungen bezahlen und ihre Probleme lösen läßt und ein zivilierter Mann ist derjenige Mann, der die Erziehung der Frauen zum Nutztier durch sexuelles und emotionales Aushungern mit Freude und Dankbarkeit quittiert und beteuert, daß dies das Beste sei, was ihm hätte im Leben passieren können. Schließlich sind Manieren ja wohl das Mindeste, was sich ein Mann in seinem Leben beibringen lassen können muß. Der Rest am Mann verdient eh nur Verachtung und soll froh sein, wenn er geduldig übersehen wird.

Erzähle von einer Situation, in der du bemerkt hast, dass es von Vorteil ist, zur Gruppe der Männer zu gehören.

Immer, wenn es action gibt, wenn es interessant wird, wenn gemeinsamer Einsatz nötig ist, wenn die Luft brennt, wenn es ein neues Abenteuer zu bestehen gilt, dann suchen Männer nach Männern, denn auf Frauen kann Mann sich ja eh nicht verlassen, die fallen einem höchstens in den Rücken oder sind zu bequem, zu risikoscheu, zu verwöhnt oder einfach nur zu ungeschickt für all das. Das müßte nicht sein, aber wer sich sein Leben lang vernachlässigt und schont, braucht sich nicht zu wundern, wenn er von den austrainierten Männern abgehängt wird. Deshalb ist es im Leben eines Mannes selten ereignislos und langweilig, während Frauen ihr Leben lang darauf warten, vom Richtigen gefunden zu werden – schließlich weiß eine Frau ja, was sie sich selbst schuldig ist: Thank God, I’m a man.

Gibt es Situationen, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?

Kommt drauf an, was man unter „Rolle“ versteht: Eigentlich gibt es solche Situationen, wo das Geschlecht eine Rolle spielt, nur am Rande, beide Geschlechter haben dasselbe, enorm schwierige Problem, nach einem sie erfüllenden, erfolgreichen Leben zu streben. Und dafür muß man sich gut ausbilden, super anstrengen und eine Menge Frustrationen hinnehmen. Aber die Wohlstandsgesellschaft hat es hingenommen, fast alle Situationen künstlich durch eine besondere Kultur des Geschlechterunterschiedes auszurüsten: Die Frauen können die o.g. Aufgabe durch Lebensassistenz von Männern lösen, indem sie tolle Frauen sind, indem Weiblichkeit als Lebensführungsprinzip bestmöglich exemplifiziert wird. Männer lösen diese Aufgabe, indem sie ihr Leben benutzen, um Frauen genau das zu ermöglichen. Unsere Kultur lebt in überwältigendem Ausmaß davon, daß Frauen auf sich selbst bezogen sind und Männer auf Frauen. Das muß natürlich nicht so sein. Die beiden Geschlechter könnten auch je für sich leben oder Frauen könnten total auf Männer fixiert sein und in Ausnahmefällen kommt das natürlich auch vor. Eine Möglichkeit, eine postgender-Gesellschaft zu realisieren, würde daher darin bestehen, daß Männer ihr Ding machen und Frauen alleine klar kommen müssen. Dann würde es natürlich immer noch Geschlechterunterschiede geben, aber sie würden nicht mehr das jeweils andere Geschlecht wesentlich beeinflußen. Eine deutlich kompliziertere Version einer postgender-Gesellschaft würde entstehen, wenn man kulturell Männlichkeit und Weiblichkeit komplett aufheben würde und einige feministische Texte lesen sich auch genau so. Dann müßte man sehr viel Zeit damit verbringen in jeder Situation erst mal zu klären, wer das macht, für was zuständig ist, wie das abläuft und warum das nicht besser geht. Das wird nicht lange gutgehen und – behält man postgender bei – es würden sich schnell andere organisatorische Vereinfachungen durchsetzen.

Weiterwerfen:

Mir fehlen zu meinem Glück noch die Antworten von:

update: Eine Bilanz dieses recht erfolgreichen blogstöckchen findet sich hier.


13 Kommentare

  1. quellwerk sagt:

    Beeindruckend, wie aus einem Stöckchen ein Baumstamm wird. Starker Text!

    • wollepelz sagt:

      Ich schließe mich an und sage: „Sowas ähnliches wollte ich auch gerade sagen!“

      Ich muss mich aus „nicht-feministischen Gründen“ diesem Blogstöckchen verweigern. Mit Deinem Text könnte man dieses Stöckchen aber abschließen. Es ist alles gesagt. 😉

  2. „Eine Möglichkeit, eine postgender-Gesellschaft zu realisieren, würde daher darin bestehen, daß Männer ihr Ding machen und Frauen alleine klar kommen müssen.“

    Niemals! Die ersten wird man daran hindern wollen, auch bereits but staatlichem Zwang und die anderen wird man nie dazu bekommen alleine klar zu kommen. Frauen werden doch schon heut für zu böde gehalten es allein zu schaffen, daher doch die Frauenförderungen und Quoten. Alle feministische Welt weiß (scheinbar), Frauen bringen es nicht … 😦

  3. enailu sagt:

    Bitter, aber so ist es!
    Schöner Text, Elmar. 🙂

  4. […] letzte hier abgearbeitete und im Netz ziemlich populäre blogstöckchen hatte vom Thema her eine gewisse Brisanz, weil es um […]

  5. Emannzer sagt:

    Ein ganz starker – und ehrlicher Text,
    Danke, Elmar

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