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Theorie der Männlichkeit II

Es gibt derzeit einen bedauerlichen backlash innerhalb der manosphäre in Richtung der traditionellen Geschlechterrollen, der die Männer nicht befreien, sonderrn nur auf die alte Art für Frauen arbeiten lassen wird. Welche Optionen gibt es in Sachen Männlichkeit in der manosphäre, was wird diskutiert?

Es scheinen bisher wenigstens drei Männlichkeitsstereotypen etabliert worden zu sein, die wir uns hier in Erinnerung rufen werden.

I. Gynozentric Masculinity:

Hiernach verstehen sich die Männer selbst als provider and protector für Frauen und sie konkurrieren untereinander um die größten Leistungen in diesen Hinsichten. Sie verbringen infolgedessen ihre Lebenszeit damit, Frauen dienstbar zu sein – in der Mehrzahl der Fälle ohne irgendeine Art von Gegenleistung. Die Existenz dieses Männlichkeitsstereotyps scheint ein guter Indikator für das Bestehen eines Matriarchats zu sein, da gynozentrische Männlichkeit vor allem aus Pflichten besteht. Gestaltungsfreiheiten von Männern werden hingegen überhaupt nicht erwähnt und sie werden nirgendwo wirklich gebraucht.

II. Functional Masculinity:

Eine Gesellschaft, die über Generationen versucht, ihre Risiken zu minimieren und ihre Chancen zu maximieren, opfert das physisch stärkere Geschlecht für ihren eigenen Fortschritt oder ihre Verteidigung. Selbstverständlich bereitet die Gesellschaft Männer auf diese Rolle systematisch vor und zwar alle Männer, denn Männer sind untereinander nicht gleich und nur wenige Männer werden den erwarteten außegewöhnlichen Belastungen gewachsen sein, so daß der pool der Kandidaten maxiniert werden muß. Diese Gesellschaft ermutigt Männer, Risiken einzugehen und zu lernen, mit schlimmsten Folgen und Rückschlägen ihrer Taten allein fertig zu werden, anstatt die Gesellschaft damit zu belasten und aufzuhalten. Die Existenz funktionaler Männlichkeit läßt sich überall ablesen: z.B. an der kürzeren Lebenszeit der Männer, an dem überwältigend hohen Anteil an – auch tödlichen – Arbeitsunfällen der Männer und natürlich an der Tatsache, daß ca. 75% aller Frauen sich notorisch auf eine Auswahl von 25 aus 324 Ausbildungsberufen konzentrieren, die alle einfach, angenehm, weitgehend verantwortungsfrei und ohne große Anstrengung bewältigt werden können – und die genau deshalb nicht gut bezahlt werden. Denn wann immer es anstrengend, schmutzig oder gefährlich wird oder in irgendeiner Weise auf unerforschtes Territorium geht, dann rufen die Frauen nur zu gerne nach Männern.

  • Funktionale Männlichkeit bedeutet übrigens keine guten Nachrichten für den Genppol einer Gesellschaft. Denn wenn sie sich entscheidet, die Stärksten und Besten in risikoreiche, gefährliche und anstrengende Unternehmungen zum Teil in andere Länder zu schicken, die gesundheitsschädlich sind, und das Sterberisiko erhöhen, dann kann sich der ausgesandte Held an drei Fingern abzählen, daß sich die Frauen überwiegend mit der zu Hause gebliebenen zweiten Garnitur fortpflanzen. Denn nur 1% werden als Sieger zurückkehren und dann mit 2-3 Frauen Kinder haben, aber nicht mit 20 Frauen. Tja … seltsam: Sind die Stärksten und Besten gar nicht identisch mit dem besten Genpool? Oder ist funktionale Männlichkeit vielleicht gar kein feature der Evolution, so daß mit der Einführung der funktionalen Männlichkeit eine ganze Kultur gegen ihren eigenen evolutionären Nutzen handelt?

Männer, die gelernt haben, ihre Gefühle zu ignorieren, sind als präferenzenlose Befehlsempfänger natürlich noch viel besser verwertbar – wenn auch privat unausstehlich. Aber man kann sie ja einfach ignorieren, solange sie jung und nutzlos sind, was natürlich eine bedeutende Gefühlskälte und Gewissenlosigkeit verlangt aller Gesellschaftsmitglieder verlangt.

  • Die Männerbewegung ist gerade ein gesellschaftliches Ärgernis, weil sie einen Frontalangriff gegen funktionale Männlichkeit. Denn sie hat Mitgefühl mit Männern und interessiert sich für die Probleme der Männer. Der erwähnte backlash in der manosphere ist daher implizit eine Schwächung der Männerbewegung.

Es ist im Sinne der funktionalen Männlichkeit keine Überraschung, daß Männer zum ersten Mal auf ihrer eigenen Beerdigung Blumen geschenkt bekommen.

  • Entsprechend haben die anderen Gesellschaftsmitglieder in Ausführung dieses Erziehungsauftrages auch kein Mitleid mit diesem Geschlecht. Vor allem aber sind Männer nicht frei, zu definieren, was gute Männer sind – das dürfen nur Frauen. Das umgekehrte gilt nicht und selbst die Formulierung „Eine richtige Frau würde jetzt …“ klingt irgendwie linkisch und den Satz zu vervollständigen, bedarf einer ziemlichen Erfindungsgabe – guess why. Der wahre Gleichheitstest bestimmt daher immer darin, ob Männer all das dürfen, was Frauen dürfen und Frauen all das machen müssen, was Männer tun müssen.

Offenbar ordnen sich die Männer als Konsequenz funktionaler Männlichkeit dem langfristigen und nur durch Frauen repräsentierten Gesamtnutzen der Gesellschaft unter, was nur gelingen kann, wenn sie niemals ein anderes Leben als das des menschlichen Verbrauchsmaterials kennenlernen: Behalten darf ein Mann nur, was er zuvor verdient hat, Rechte und Freiheiten sind ein grundsätzliches Problem für funktionale Männlichkeit. Nur Sklaven stehen noch schlechter da, da sie auf ihre Arbeit und ihr Überleben beschränkt werden. Redewendungen wie „Nimm es hin wie ein Mann.“ erinnern uns an diesen Sachverhalt. Frauen ist das zum ersten Mal während der Corona-lockdowns passiert und sie waren dieser Lage psychologisch massenhaft nicht  gewachsen.

  • Ein Mann, der unter dem Joch der funktionalen Männlichkeit erwachsen wird, wird psychologisch enorm belastet: Die Selbstmordrate von Männern unter 25 ist um das 8-fache erhöht gegenüber Frauen und nicht selten haben Männer aufgrund ihrer unmenschlichen Behandlung psychische Probleme und leiden dann unter einem Mangel an sozialen Fähigkeiten – was nicht unerwünscht ist, denn wer zieht schon mit 18 Jahren freudig in einen von Wirtschaftseliten angezettelten Krieg, ohne einen Dachschaden zu haben? Entsprechend ist es sinnvoll, Männer von Kindern und Familie fernzuhalten, da sie auf diese Aufgabe tendenziell schlechter vorbereitet sind und man bereitet eher das verbleibende Geschlecht auf diese Aufgabe vor. Infolgedessen dreht sich im normalen Leben im Grunde alles um Frauen – die Männer werden währenddessen als Nutztiere verheizt – die nunmehr das gesellschaftliche Leben und auch die Setzung sozialer Normen unter sich ausmachen. Man nennt sowas ein Matriarchat. Denn die Männer haben dafür keine Zeit, sie arbeiten, versorgen, bauen auf, konstruieren, erfinden und bereiten alles vor für die Frauen, die die nächste Generation im Sinne funktionaler Männlichkeit großziehen: Die Männer zu robusten Befehlsempfängern und die Frauen zu Herrenmenschen.

Es besteht kein Zweifel daran, daß funktionale Männlichkeit unverträglich ist mit der basalen Entscheidung im Leben, sein Leben durch andere Menschen zu leben – ganz im Gegenteil. Und im Patriarchat kann es natürlich keine funktionale Männlichkeit geben.

  • Traditionelle Geschlechterrollen zu leben, bedeutet entsprechend, die Lebensform, die sich aus den basalen Entscheidungen, etwas von Wert darzustellen und sein Leben durch andere Menschen zu leben, auf weiblicher Seite mit funktionaler Männlichkeit auf männlicher Seite zu kombinieren. Das ist in der Vergangenheit bereits zum Nutzen der Frauen und zum Schaden der Männer flächenddeckend gemacht worden.

Heutzutage ist es zudem überholt, von Männern nicht mehr als funktionale Männlichkeit zu verlangen. Widersprüchlicherweise wird von Männern inzwischen funktionale Männlichkeit sowie gleichzeitig alles verlangt, worauf sich früher nur Frauen in ihrem Leben spezialisiert hatten. Inzwischen nehmen viele Frauen Dank feministischer Propaganda diese Aufgabe aber nicht mehr ernst und glauben fälschlicherweise, ihr Geschlecht allein sei ausreichend z.B. für den Erfolg bei Kindererziehung – was statistisch längst widerlegt ist: Alleinerziehung durch Frauen ist die beste Prognose, im Leben umfassend zu scheitern. Männer übernehmen daher notgedrungen immer mehr der ursprünglichen Aufgaben der Frauen – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Und natürlich bleibt den Frauen bis heute jede Art von funktionaler Weiblichkeit erspart – einfach deshalb, weil als Nutztier behandelt zu werden, wie auch widersprüchliche sozialen Normen zu erfüllen zu müssen, für jeden Menschen eine Zumutung ist. Das gilt insbesondere für Frauen, die meinen, als Menschen mehr wert zu sein, als Männer, so daß Männer ihnen etwas für ihre Gegenwart schulden.

  • Die Annahme, das herrschende Geschlecht würde es zulassen, daß an es widersprüchliche Anforderungen bei der Sozialisation gestellt werden derart, daß die Selbstmordrate für seine Nachfolger in die Höhe getrieben wird, ist übrigens wenig überzeugend. Also kann es kein Patriarchat geben.

Die bisherigen beiden Männlichkeitsstereotypen schließen einander keineswegs aus – ganz im Gegenteil, sie ergänzen einander und werden von den Männern in unterschiedlichen Varianten realisiert. In beiden Fällen bestimmen nicht die Männer darüber, was ein wahrer Mann im Sinne eines guten Mannes ist, sondern der Nutznießer der Vewertung der Männer und das können nur noch Frauen sein. Männer, die nicht mehr mit sich anzufangen wissen, als ihr Leben mit gynozentrischer und funktionaler Männlichkeit auszufüllen, werden de facto von Frauen kontrolliert, fungieren als menschlicher Versicherungsschein und emotionale Dienstleister gegen jede Art von Lebensrisiko zugunsten von Frauen.

III. Masculinity in Public:

In der manosphäre kursieren Bezeichnungen wie α-Mann, β-Mann, simp und γ-Mann. Das Verständnis ist nicht einheitlich, da auch Frauen diese Bezeichnungen für eigene Zwecke benutzen. Einigkeit besteht nur darüber, daß jeder Mann genau einer Kategorie angehört:

  1. Der γ-Mann ist eine für Frauen völlig nutzlose und daher überflüssige und unsichtbare Kategorie von Männern, die Frauen weitestgehend ignorieren
  2. Der simp ist ein für Frauen nützlicher, aber eher unattraktiver Mann, der sich Frauen vorsätzlich und freiwillig unterordnet. Attraktivität aus Sicht der Frau erschöpft sich nicht nur der Physionomie des Mannes, sondern referiert auf das Gesamtpaket aller Reize und Vorteile, die ein Mann zu bieten hat. Unkontrollierbare Männer sind das letzte, was sich Menschen wünschen, die sich entschlossen haben, ihr Leben durch andere Menschen zu leben.
  3. Ein β-Mann ist nicht notwendigerweise ein simp, da es ebenso vorkommen kann, daß er aus Unverständnis viele Demütigungen durch Frauen hinnimmt, oder einfach charakterlich zu schwach ist, um ein protector und provider zu sein, oder daß er einfach nicht gut aussieht bzw. körperliche Makel hat. Wie der simp ist der β-Mann für Frauen ökonomisch oder psychologisch nützlich. Meine Vermutung ist, daß die meisten β-Männer Männer sind, die das Ideal der romantischen Hingabe adaptiert haben, welches hier besprochen wurde.
  4. Der α-Mann ist vor allem dadurch charakterisiert, daß er Erfolg mit Frauen hat. Dieser Erfolg kann durch unterschiedliche Kombinationen von persönlichen Eigenschaften realisiert sein. Der Grund dafür kann z.B. in seiner persönlichen Dominanz, in seiner sexuellen Anziehungskraft liegen oder z.B. seinem sozialen Status. Es ist nicht wesentlich, daß ein α-Mann einer Frau auch nützlich ist – obwohl es nicht schadet. Seine Gegenwart allein ist für eine Frau unter einem bestimmten Gesichtspunkt ein solcher Gewinn, daß sie ihm alles gibt, was sie anderen vorenthält. Meine Vermutung ist, daß die meisten α-Männer nur Angeber sind, da Frauen im Mittel nur eine geringe soziale Kompetenz haben.

Es gibt unzählige – selbstverständlich kostenpflichtige – Ratgeber dazu, wie ein Mann in einer Folge von – sagen wir – 12 Schritten zu einem α-Mann wird. Übersehen wird dabei, daß nur eine Frau entscheidet, wer für sie ein α-Mann ist. Infolgedessen sind entsprechende Rezepte niemals eine Garantie, sondern sie variieren nur die Wahrscheinlichkeiten.

  • Die meisten Frauen haben sich für ein Leben entschieden, in dem sie etwas von Wert darstellen und ihr Leben durch andere Menschen leben wollen. Daher bevorzugen sie einen Mann mit Geld und Status, obwohl sie selbst der Meinung sind, daß sich beides zu verdienen, nicht zu einem erfüllten Leben führt. Männer erhöhen also allein aufgrund der Zahlenverhältnisse ihre Chance auf Sex und Nachwuchs, indem sie ein unglückliches Leben führen. Viele Genies der Vergangenheit waren nicht dazu bereit und haben sich nicht vermehrt, obwohl sie zweifellos Gene hatten, die es wert gewesen wären, weitergegeben zu werden. Offenbar hat sich die europäische, matriarchale Kultur bereits vor Jahrhunderten von der Biologie emanzipiert. Und ein Patriarchat, welches diesen Namen auch verdient, müßte völlig anders organisiert sein, als den Unglücklichen unter den Männern die beste Chance zur Reproduktion zu geben.

Die meisten Vertreter der manosphäre halten funktionale Männlichkeit für das Ergebnis der Evolution, das in jeder neuen Generation auf geheimnisvoll biologische Weise neu erzeugt wird. Und nicht wenige romantisieren die dazu gehörenden Geschlechterrollen und bezeichnen das als traditionell und irgendwie wertvoll. Das liegt aus meiner Sicht daran, daß sie nicht klug genug sind, um die ökonomische Pointe hinter all dem zu sehen, und sie fürchten sie sich vor der Komplexität der Aufgabe, ein funktionales Geschlechterverhältnis von allen Ungerechtigkeiten zu befreien. In diesem Sinne stehen die Apologeten evolutionärer Unvermeidlichkeit echter Innovation in diesem Bereich notorisch im Weg. Der psychologische Schaden, der auf diese Weise bei anderen Männern weltweit angerichtet wird, ist immens.

Wenig verbreitet ist hingegen ein alternatives Männlichkeitsverständnis, welches völlig unabhängig von den Präferenzen der Frauen oder der Gesellschaft als Ganzes formuliert ist und vor allem ohne das Merkmal der Unterordnung, des Pflichten-statt-Rechte-Designs von Männlichkeit auskommt. Um diesem Mangel abzuhelfen, lohnt es sich, auf ein anderes Männlichkeitsstereotyp zurückgreifen, welches überraschender Weise sehr viel älter ist.

IV. Rebellious Masculinity:

Auf Horaz geht die Intuition der Widerspenstigkeit im Sinne von Unkontrollierbarkeit als charakteristisches Merkmal von Männlichkeit zurück: Männlich ist, wer den Konflikt nicht scheut, sondern Widerstand leistet – nicht willkürlich, sondern aus Gründen. Diese Art von Männlichkeit steht im direkten Gegensatz zum Opportunismus. Horaz spricht vom puer robustus, für den historisch in der politischen Philosophie und der politischen Theorie bereits viele unterschiedliche Interpretationen gegeben wurden. Die Serie an posts, die dieses Thema angeht, kann hier abgerufen werden.

  1. Männlichkeit, verstanden als Widerspenstigkeit, hat nach Horaz immer etwas zu tun mit einer Konzentration aus Kraft und Wildheit, die nicht von außen gebändigt werden kann, um ökonomisch nützlich und für das Kollektiv ungefährlich zu werden, und die stattdessen nur von innen heraus diszipliniert werden kann. Analog dazu ist der weibliche Held eine Frau, die einen wilden Mann allein durch ihre Weiblichkeit zur Selbstdisziplinierung bringt und es gibt wenig, was für Frauen erotischer ist – was in diesem Buch nachgewiesen wird.
  2. Von dem Prinzip von Dieter Thomä in seinem Buch favorisierten Idee eines Schwellenwesens, welches sich notorisch in Übergangsstadien befindet, ist Widerspenstigkeit allerdings grundverschieden, da für den männlichen Mann der angestrebte Zielzustand ohne Verlust von Männlichkeit völlig unbekannt sein kann. Auch mit dem Wahlspruch „Lieber der Tod als Ehrlosigkeit.“ hat Widerspenstigkeit nichts zu tun, da hier implizit eine Hierarchie von Werten propagiert wird.
  3. Widerspenstigkeit ist ebenfalls grundverschieden von der Bereitschaft zu konkurrieren, wie sie vom Angeber demonstriert wird. Denn der Angeber nimmt ein Angebot, zu konkurrieren nicht an, wenn der Gewinn nicht gesellschaftlich angesehen ist oder neue er durch seinen Gewinn neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Gesellschaft angeboten bekommt. Kein Angeber besteht darauf, z.B. derjenige mit der abseitigsten sexuellen Perversion zu sein – ganz im Gegenteil. Im Vergleich dazu interessiert sich der widerspenstige Mann nicht für die gesellschaftliche Bewertung eines messbaren wirklichen oder potentiellen Erfolges. Er muß nur vor sich selbst rechtfertigen, was er tut – was gelegentlich intellektuell sehr aufwendig sein kann.
  4. Widerspenstigkeit und Dominanz sind insofern verschieden, als Dominanz auf Personen, Widerspenstigkeit aber auf Tatsachen gerichtet ist. Persönliche Dominanz ist eine gute Voraussetzung für die Politik, aber Widerspenstigkeit macht einen Menschen zu einem Wissenschaftler – falls die nötigen intellektuellen Fähigkeiten vorhanden sind. Angeber sind für Wissenschaft eigentlich nicht wirklich geeignet.
  5. Widerspenstige Männer handeln erst einmal für sich und allein, fernab von jeder funktionalen Männlichkeit. Sie scheren aus dem Konsens der etablierten Kooperationen aus und benötigen in vielerlei Hinsicht eine Alternative. Daher sind sie ständig auf der Suche. Und da für Männer in der Regel kaum Orientierung z.B. in der Belletristik oder im sozialen Umfeld zu finden ist, ecken sie als Nebenerscheinung ständig an – unvermeidlich. Anzuecken ist aus Sicht des widerspenstigen Mannes aber nicht die schlechteste Erfahrung, da sie auf diese Weise ihre Orientierungslosigkeit stückweise verringern. Daher verursachen sie nicht selten mit Absicht mehr oder weniger gut Verständnis erzeugende Konflikte, die Frauen typischerweise nicht nur nicht verstehen, sondern nur zu unterdrücken versuchen.

Natürlich steht die Option der Widerspenstigkeit auch Frauen offen, die jedoch offenbar etwas anderes vorziehen – aus welchen Gründen auch immer. Ein Ideal der Weiblichkeit zu definieren, ist aber eine Aufgabe, die wir ohne Verluste den Frauen überlassen können.

Widerspenstige Männlichkeit ist eine Option, die eigene Lebensform stärker auszuleuchten und auszubuchstabieren und hat nichts mit irgendwelchen Verpflichtungen zu tun, z.B. Frauen aus brennenden Burgen zu retten:

  • Denn Widerspenstigkeit verlangt wenigstens die Entscheidung, sein Leben nicht durch andere leben zu wollen. Um diese Entscheidung zu treffen, reicht es z.B. völlig, sich von der damit einhergehenden Kontrastlosigkeit der durch andere vorgelebten Leben und den Mangel an Emotionen darin deprimiert und enttäuscht zu fühlen. Widerspenstigkeit ohne Vitalität ist allerdings kaum vorstellbar und es ist keine Überraschung, daß die meisten europäischen Männer sich mit Beginn der Pubertät für eine Leben auf der Suche nach Bedeutung entscheiden, weil sie darin ein Versprechen eines unbeschränkten Spielplatzes ihrer Kreativität und Schaffenskraft sehen. Schlichte Gemüter wählen oft eine andere Lebensform.
  • Interessanterweise benötigt Widerspenstigkeit keine besondere intrinsische Motivation wie etwa ein großes Unrecht in der Welt, Despotismus oder Ausbeutung: Jede irgendwie dysfunktionale Gesellschaft erzeugt genug Gründe für Widerspenstigkeit – einfach deshalb, weil immer irgendjemand mit den daraus für ihn entstehenden, unvorteilhaften Konsequenzen nicht leben kann oder leben will: kleine Ursache – große Wirkung. Dabei kann die Unvorteilhaftigkeit durch alles möglich gegeben werden z.B. auch dadurch, daß jemand wünscht, Langweiliges, Stumpfsinniges, Triviales, Abgeschmacktes, oder Hässliches zu vermeiden. Auch große Erwartungen oder Hoffnungen, die einmal geweckt und enttäuscht wurden, können als Motiv für Widerspenstigkeit fungieren.

Erfahrungsgemäß fängt Widerspenstigkeit für jeden Menschen an einer anderen Stelle an und ist wie ein unregelmäßig ausgeleuchteter Pfad, dem z.B. ein Mann folgen kann jenseits etablierter Kooperationsgleichgewichte sowie jenseits des Wissens und den Ratschlägen der Gesellschaft über ein gelingendes Leben. Widerspenstige Männer sind daher z.B. bei solchen Frauen, die ihr Leben durch andere leben und daher auf eine entsprechend funktionierende Gesellschaft angewiesen sind, wirklich unbeliebt – was niemand in der manosphäre bisher vorhersagt. Solche Frauen tun daher alles, um widerspenstige Männer zu diskriminieren und die entsprechenden Männlichkeitsvorstellungen zugunsten von Männlichkeit im Sinne romantischer Hingabe zu untergraben, denn sie versprechen mehr Arbeit und Unkontrollierbarkeit.

  • Zum Vergleich: Die einzigen langfristigen Orientierungen im Leben, die Männern in Sachen Lebensklugheit von der Gesellschaft bisher angeboten werden, sind ökonomisch oder Frauen direkt zu Willen zu sein. Das Fehlen einer Zukunftsperspektive für Männer als Personen ist klarerweise ein weiterer, indirekter Beleg für das Matriarchat. Widerspenstige Männlichkeit ist dagegen ein kulturelles Widerstandselement z.B. gegen Totalitarismus und wird daher vom jedem Feminismus konsequent bekämpft, der sich inhaltlich längst in der Hand der ökonomischen Eliten befindet. Nicht umsonst ist das Feindbild der woke-Bewegung der alte (i.e. Tradition, Erfahrung. gesunder Menschenverstand) weiße (i.e. europäisch, auf Wissenschaft beruhende Naturbeherrschung) Mann (i.e. funktionale Männlichkeit). Wenn das akzeptiert werden sollte und alles zerstört wird, was die Menschheit Erfolg, ein langes Leben und Wohlstand gebracht hat, dann ist unklar, was die schwach gewordenen Menschen dann noch gefügiger machen könnte. Die dafür benötigten Doppelstandards in Sachen Rassismus und Sexismus wurden bereits vor bzw. im Zuge der Studentenrevolution von Jean-Paul Sartre in Black Orpheus (1948) und Herbert Marcuse als intellektuell wirkende Zeitbomben erfunden.

Widerspenstige Männer stellen offenbar eine abstrakte Gefahr dar für jede aus Kooperationsgleichgewichten bestehende Ordnung allein aufgrund ihrer erworbenen Fähigkeiten und ihrer Verpflichtungslosigkeit anderen gegenüber. Wenn die Gründe und die Ziele eines widerspenstigen Mannes weder durch das romantische Ideal noch durch die gynozentrische Gesellschaft vorgegeben werden, dann handelt er allein, insofern er nur noch sich selbst verpflichtet ist und auf eigene Faust handelt, nirgendwo hingehört, sich nur gelegentlich an Regeln hält, und unbequem und unbekümmert sein kann.

  • Widerspenstige Männer versuchen nicht, wie wie Frauen oder Angeber dazu zu gehören, und sie sind zu wenig verträglich, liebenswürdig, erfolgsorientiert und kooperativ, um in irgendeiner Form als Dienstleister fungieren zu können.

Natürlich ist die auf diese Weise nachgewiesene Außenseiterstellung des widerspenstigen Mannes in der abendländischen Kultur nicht erst gestern bemerkt worden. Ganz im Gegenteil hat die abendländische Belletristik etwa zur selben Zeit auf dieses soziale Phänomen reagiert, als die politische Philosophie und insbesondere Thomas Hobbes auf das Thema des widerspenstigen Mannes aufmerksam wurde. Die Reaktion der abendländischen Kultur war vielmehr folgende:

  • Um Personen und die Art ihrer Charakterisierung auf Basis ihrer Entscheidungen zu klassifizieren, wurde die sogenannte Figur erfunden. Eine Figur liefert einen erzählerischen Rahmen, um Handlungen zu erklären und vorauszusagen, die je nach Kontext adaptiert und auch wieder abgestreift werden können, was es dem widerspenstigen Mann erlaubt, die Beschränkungen einer einzigen Lebensform zu überwinden – ein Trick, der z.B. in Cyrano de Bergerac ausgezeichnet illustriert wird, insofern Cyrano mehrere Figuren je nach Kontext nutzt, um sich selbst seine Lebensgeschichte zu erzählen.

Für einen Mann, der als widerspenstiger Mann allein handelt, ist eine Figur als Richtschnur seines Handelns ungeeignet und die dazugehörigen Männlichkeitsstereotypen wie z.B. Held oder Verführer jedoch uninteressant, ja geradezu irrelevant. Denn eine Figur ist ein unveränderliches Narrativ für Personen, welche nicht z.B. berücksichtigen kann, daß ein Mann aus einer Art Selbstverpflichtung, als Resultat seiner historischen Einbettung z.B. in eine ungerechte Gesellschaft Brüche in seiner Biographie vorsätzlich herbeiführen kann und daher jedes bisher von ihm verwendete Narrativ untauglich wird, um sich selbst zu verstehen, sein eigenes Handeln zu erklären und in der Zukunft anzuleiten. Widerspenstige Männer sind konzeptionell immer Individuen, i.e. Personen mit einem Sinn dafür, daß sie sich selbst oder die Gesellschaft etwas als Person schulden können, und sind daher notorisch auf der Suche nach jeder Art von Landkarte, um ihrer niemals versiegenden Unzufriedenheit zu entfliehen. Die Psychologe des widerspenstigen Mannes kann daher niemals so gradlinig sein, wie sie es bei Cyrano de Bergerac ist.

  • Das wahre revolutionäre Potential der widerspenstigen Männer liegt daher darin, daß sie sich von einer Revolution ein Leben in Bedeutung versprechen und dies mit körperlicher Überlegenheit kombinieren können – falls sie jemals lernen, die künstliche Dämonisierung der Männer abzuschütteln und einander zu vertrauen. Daher setzt jede matriarchalische Gesellschaft alles daran, widerspenstige Männer zu dämonisieren, denn sie fürchtet jede Destabilisierung.

Es ist in diesem Sinne kein Wunder, daß politische Philosophen wie Thomas Hobbes, Denis Diderot oder Jean-Jacques Rousseau widerspenstige Männer als prinzipielles Problem für die gesellschaftliche oder staatliche Ordnung und Stabilität gesehen haben sowie die Disziplinierung, Unterwerfung und Integration der widerspenstigen Männer als zentrales politisches und moralisches Problem – erneut unbemerkt von den Frauen, deren Selbstveständnis anders als das der widerspenstigen Männer ohne jede politische Dimension bleibt.

  • Das größte politisch verwertbare Männlichkeitspotential vom Standpunkt des Horaz liegt folglich in einer sozialen Schicht, wo die Frauen nicht zu Hause bleiben können, um ihre Lebensvorstellungen an ihre Kinder weiterzugeben – früher bei den Armen und heute Dank der Männerfeindlichkeit in Gesellschaft und Justiz überall. Arme sind zugleich von jedem Status, den eine Gesellschaft verteilen kann, um Menschen zu betäuben, am weitesten entfernt und daher dem revolutionären Potential einer Suche nach Bedeutung durch eigenes Handeln am nächsten: Als empirische Bestätigung finden wir vor, daß widerspenstige Männer oft arm sind. Alle anderen Optionen sind für diese soziale Schicht mehr oder weniger unrealistisch, da die modernen Gesellschaften in Bezug auf die soziale Schicht weitgehend vertikal undurchlässig sind.

Es ist folglich kein Zufall, daß auch Studenten eher zu dieser revolutionären Klasse gehören, da sie außer einer Hoffnung auf die Zukunft noch gar nichts haben.

V. Fazit:

Widerspenstige Männer sind oft politisch ebenso revolutionär, wie psychologisch tragisch, und nur selten ist ein widerspenstiger Mann mit einer solchen psychologischen Stärke gesegnet, daß die Unbekümmertkeit bei ihm siegt. Widerspenstige Männer haben sich in ihrer Auflehnung gegen irgendwas Kleines über funktionale und gynozentrische Männlichkeit turmhoch erhoben und sind unvorhergesehen in eine Suche nach einer tieferen Bedeutung in ihrem Leben gestolpert, für die es typischerweise keinerlei Vorbilder gibt. Die meisten Frauen lehnen widerspenstige Männer als unkontrollierbbar ab, obwohl einige dieser Männer die Qualitäten von Visionären, Wisseschaftlern und Anführern haben. 400 Jahre Diskussionen in der politischen Philosophie kommen – immer wieder – zu dem Schluß, daß widerspenstige Männer, wenn sie kooperieren, die gefährlichste Gruppe sind, die eine Gesellschaft haben kann, insofern sie sich keiner politischen oder gesellschaftlichen Hierarchie und keinem Wertekanon unterwerfen.

  • Doch wie monoton, langweilig, farblos, prosaisch und öde wäre eine Welt der Ja-Sager ohne widerspenstige Männer. Denn Widerspenstigkeit fungiert für Menschen wie ein Detektor, um die Möglichkeiten, die eine Welt zu bieten hat, aufzustpüren.

Nicht jeder widerspenstige Mann muß sein Leben als Revolutionär erfüllen, um Widerspenstigkeit erfolgreich zu leben. Doch ich würde mich nicht wundern, wenn sich historisch verifizieren ließe, daß die Gelenkstellen historischer Entwicklung von widerspenstigen Männer besetzt waren. Es entspricht meiner tiefsten Überzeugung, daß, egal wohin man guckt, die Avantgarde in der überwältigenden Zahl der Fälle durch widerspenstige Männer gebildet wird – fernab von den Ehrungen und Privilegien einer von Frauen dominierten Gesellschaft. Interessanterweise stellt sich dieses Resultat des Lebens widerspenstiger Männer eher zufällig und in jeden Fall unvorhergesehen ein und die Beschämungen der Frauen, widerspenstige Männer würden nur ihr Ego polieren wollen, laufen windschief an der psychologischen Konstitution der widerspenstigen Männer vorbei.

Dies ist erst der Anfang, eine zeitgenössische Erzählung von Widerspenstigkeit für Männer zu entwickeln. Weitere posts zu dem Thema werden folgen.

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Jesus und Männlichkeit


10 Kommentare

  1. luisman sagt:

    In der manosphere oder „bro science“ wird der widerspenstige Mann als Sigma bezeichnet. Meist werden dort nur die positiven Aspekte und seine Gefaehrlichkeit herausgehoben, waehrend die negativen Seiten oft unter den Teppich gekehrt werden. In der Regel fliegt der Sigma unter dem Radar, ist fuer Frauen so unauffaellig wie ein Gamma, fuegt sich in die Arbeitswelt wie ein Beta ein und spielt den Alpha nur temporaer und ungern.

    Interessant finde ich deine historischen und literarischen Bezuege, die du gerne noch etrwas ausbauen kannst.

  2. […] hat mich im letzten post richtigerweise darauf hingewiesen, daß ich in der sozio-sexuellen Hierarchie den σ-Mann, den […]

  3. […] die Folge davon, daß (2) von Frauen weitgehend akzeptiert wurde. Auf der anderen Seite verliert widerspenstige Männlichkeit als kulturelle Waffe gegen politischen Totalitarismus unter Annahme (2) seine moralische […]

  4. […] gegen wertlosere Menschen durchzusetzen versuchen – typischerweise Männer, was eine Folge funktionaler Männlichkeit ist. Sich selbst als Opfer zu inszenieren, ist ein bekanntes Beispiel. Aber auch andere Frauen […]

  5. […] auf evolutionärer Zeitskala reproduktiv bewährt haben. Und – welche Überraschung – widerspenstige Männer sind genau die richtigen Kandidaten dafür – weshalb Männlichkeit vom mainstream immer als […]

  6. […] Funktionale Männlichkeit umfaßt nicht die Dämonisierung der männlichen Sexualität, weil die Gesellschaft als Ganzes […]

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