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Die Linke, Flüchtlinge, Frauen und Intersektionalität

Es gibt einen ziemlich einfachen Zusammenhang zwischen der feministischen Theorie und den aktuellen politischen Geschehnissen, der wenigstens für die Linken erklärt, was sie in der Flüchtlingskrise gerade tun. Interessanterweise sagt uns das auch etwas über den linken Maskulismus.

Wie und warum die Linken in der Flüchtlingskrise so seltsam reagieren, finde ich eigentlich ziemlich durchsichtig, insofern sie nur das alte Stammheim-Schema wiederholen:

  • i) Im Stammheimprozeß 1977 hatte die RAF argumentiert, daß es sich um einen politischen Prozeß und nicht um einen simplen Strafprozeß handeln würde, weil sie gewissermaßen aus einem übergesetzlichen Notstand der eigenen politischen, gesellschaftlichen und letztlich menschlichen Unterdrückung sowie der Nothilfe für Vietnam handelten. Dieser Sichtweise entsprechend wollten sie den US-Außenminister als Zeugen vorgeladen sehen. Wir wollen diese Idee eines übergesetzlichen Notstandes das Stammheim-Schema nennen.
  • ii) Und da die Intelligenz der Linken in den letzten Jahren ja leider so drastisch abgenommen hat, können sie die Lage auch jetzt nicht differenzierter sehen, als es die Geburtsgenerationen ihrer Ahnenreihe APO, RAF, Anti-AKW-Bewegung, Friedensbewegung, Grüne je getan hätte.
  • iii) Damit zeichnet die Linke das folgende, große picture der Flüchtlingsströme: Weil der imperialistische Westen den Nahen Osten seit Jahrzehnten ausgebeutet und mit Stellvertreter- bzw. Resourcenkriegen überzogen und drangsaliert hat, erzeugt das Stammheim-Schema die Aussage, daß die Radikalität der muslimischen Einwanderer allein eine Folge der westlichen Unterdrückung ist.
  • iv) Würden die Linke das anders sehen und den Islam für den Radikalsimus und die Menschenverachtung des Handelns dieser Leute verantwortlich machen, dann müßten sie entweder ihren Antiamerikanismus aufgeben (was kaum gehen wird, denn er beruht ja wirklich auf guten Gründen) oder gleich das Stammheim-Schema aufgeben – was vermutlich mit dem Bekenntnis „Ich bin nicht mehr links.“ gleichzusetzen ist.
  • v) Die von den Linken vom Feminismus ererbte Theorie der Intersektionalität führt damit dazu, daß selbst der männliche, dunkelhäutige Moslem schützenswerter ist, als die weiße Heterofrau … und der weiße Heteromann sowieso.
  • vi) Folglich werden von den Linken und Grünen die Vorgänge in Köln – ganz zu Unrecht – verharmlost und der künstlich eingeleitete Kulturkampf vorsätzlich geleugnet. Denn – und das das ist ebenfalls Folge der narrativen Ethik der Feministen – als moralisch richtig gilt, was in einem bereits gedeuteten Kontext als angemessene Reaktion erscheint. Die irreführenderweise „Flüchtlinge“ genannten Immigranten aufzunehmen, ist in den Augen der Linken gewissermaßen eine politische Buße des Westens für die Verbrechen der letzten Jahrzehnte. Und das bedeutet: die Linken sehen sehr wohl die kommenden Probleme der jetzigen Einwanderung, aber die begrüßen sie heimlich als gerechte Strafe – womit sie letztlich den Kollektivschuldgedanken weiterführen. Daß sie das alles nicht offen bekennen, ist leicht einzusehen.
  • vii) Was passiert nun, wenn jemand NICHT den bösen Westen für den gerechten Zorn des arabischen Moslems verantwortlich macht – sondern z.B. das Zusammentreffen einer bestimmten Kultur mit einer bestimmten Auslegung des Islam? Solange das Stammheim-Schema gilt, läuft das auf eine implizite Leugnung der These vom bösen Westen und insbesondere des Antiamerikanismus hinaus. Und welchen politischen und damit letztlich menschlichen Standpunkt braucht man, um so eine Leugnung wirklich ernst zu nehmen? Richtig: Man muß schon irgendwie Nazi sein … wenigstens ein bißchen oder Rassist oder so, um das Elend der arabischen Muslime als OK anzusehen.

Wir nehmen die sog. Nazi-Keule als Beschimpfung oft nicht ernst. Doch das ist ein großer Fehler in der Analyse.

Entsprechend dieser Argumentation können wir auf genderama fast jeden Tag die – vom Standpunkt des analytischen Humanismus unerträgliche – Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen miterleben – und zwar trotz des expliziten Standpunkts eines integralen Antisexismus im linken Maskulismus, der eigentlich genau das verbietet.

  • Die Quelle ist ganz klar die feministische Theorie: eine auf einer absurden Identitätspolitik beruhende Intersektionalität sowie die feministische, narrative Ethik. Die Schuld für die Vorgänge liegt natürlich immer bei den Menschen und nicht bei irgendeiner Theorie.

Das alles erklärt selbstverständlch nicht, warum die Rechten diesen Wahnsinn mitmachen und jede Verantwortung für künftige Generationen verweigern. Dafür benötigen wir eine andere Erklärung, die ich im Moment nicht geben kann.

Zusätzlich haben wir damit für den linken Maskulismus die folgende Zwischenbilanz zu ziehen:

  • 1) Der integrale Antisexismus ist als moralischer Anker zu schwach und gibt als bloßes Verbot der relativen Ungleichbehandlung nicht mal das Demütigungsverbot her.
  • 2) Der linke Maskulismus erlaubt keinen positiven Freiheitsbegriff. Damit werden Gestaltungsrechte in dessen Augen nicht durch die Menschenrechte begründende Menschenwürde geschützt und Menschen Demütigungen ausgesetzt.
  • 3) Die Theorie der Intersektionalität ist offenbar absurd.
  • 4) Der von den Linken verfochtene Typus normativer Ethik ist der narrative. Damit ist er nicht universalistisch und erlaubt es nicht, Verantwortung für künftige Generationen zu übernehmen.
  • 5) Der linke Maskulismus erlaubt keine wirksame Theorie des Antifeminismus, obwohl der feministische Geschlechterrevanchismus für die gegenwärtige Misandrie ganz wesentlich verantwortlich ist.

Für mich ist das das AUS der Theorie des linken Maskulismus: Eine Theorie mit solchen Schwächen ist inakzeptabel – für jeden. Ich sehe auch nicht, wie sie verbessert werden kann, ohne sie aufzugeben. Aber vielleicht traut sich ein Linker ja mal, was dazu zu schreiben.

Weitere links:

Nachtrag:

Dieser post wurde von Prof. Buchholz aufgegriffen und kommentiert.

http://www.statusquo-news.de/merkel-hat-tausendfaches-leid-verursacht-oxford-professor-wettert-gegen-willkommenskultur/

today’s video:


17 Kommentare

  1. „Für mich ist das das AUS der Theorie des linken Maskulismus: Eine Theorie mit solchen Schwächen ist inakzeptabel – für jeden. Ich sehe auch nicht, wie sie verbessert werden kann, ohne sie aufzugeben. Aber vielleicht traut sich ein Linker ja mal, was dazu zu schreiben.“

    Deine Argumentation krankt daran, dass du deren Bausteine nur unzureichend begründest, diese dann aber im späteren als absolut bewiesen ansiehst.
    Deine these, was eine bestimmte Richtung nicht können kann ist ein Beispiel dafür. Ihr fehlen wesentliche Schritte einer Subsumtion. Man bezeichnet diese Technik als „wegfefinieren“. (Beispiel: Ist a ein Mörder? Ein Mörder ist jemand, der einen anderen mit der Axt umbringt. Das ist hier nicht der Fall gewesen. Also ist a kein Mörder). Der Schritt, bei dem du deine Definition mit der Wirklichkeit abgkeichst, der, der also Arbeit macht, fehlt bei dir fast immer. Du ersetzt es durch was du denkst, was sie vertreten sollten.

    • @Christian

      „Deine Argumentation krankt daran, dass du deren Bausteine nur unzureichend begründest, diese dann aber im späteren als absolut bewiesen ansiehst.“

      Das Einzige, was fehlt, ist die Zurückweisung der feministischen Ethik narrativen Typs. Das hole ich als nächstes nach. Der Rest wurde bereits durch humanistische post abgedeckt.

    • @EvoChris

      Ach ja … die Sache mit der Intersektionalität kann man sicher auch besser machen, als sie nur an einem Beispiel ad absurdum zu führen. Aber das kommt alles später.

  2. lomi sagt:

    iii) Damit zeichnet die Linke das folgende, große picture der Flüchtlingsströme: Weil der imperialistische Westen den Nahen Osten seit Jahrzehnten ausgebeutet und mit Stellvertreter- bzw. Resourcenkriegen überzogen und drangsaliert hat, erzeugt das Stammheim-Schema die Aussage, daß die Radikalität der muslimischen Einwanderer allein eine Folge der westlichen Unterdrückung ist.

    Der Punkt ist nicht tragfähig. Es gibt natürlich solche Denkschablonen. Üblicherweise ist der Standpunkt linker Vordenker sehr viel differenzierter. Falls das denn immer auch als „links“ zu labeln ist. Schau z.B. mal das Video an: https://www.youtube.com/watch?v=syygOaRlwNE

    Dann und wann verknüpft der Referent dort sehr wohl die Folgen westlicher Politik mit kulturellen Gegebenheiten, insbesondere am Beispiel Saudi Arabiens. Es ist folglich durchaus möglich, „Kultur“ als einen Faktor heranzuziehen.

    Du aber musst Dich sehr hüten, nicht in einen plumpen Kulturalismus zurückzufallen, wenn Du jetzt der Linken ankreidest, keine Kulturkritik zu üben. Insbesondere der Bezug auf „den Islam“ hat die Tendenz, das eine Großschema („Westlicher Imperialismus“) zu ersetzen durch das andere („Der Islam als solcher“). So wird es nicht gelingen, komplexe Vorgänge angemessen zu erklären. In der Regel sind linke Vordenker da auch schlauer, auch wenn sie hier und da in die Irre laufen mögen.

    Allein schon die Differenzierung zwischen Verhaltensweisen, die der Islam geprägt hat, und Verhaltensweisen aus der Stammesgesellschaft, ist hilfreich. Nicht alle dem Islam zugeschriebenen Vorkommnisse gehören auch in diese Schublade. Diese Perspektive würde eine Kulturkritik auch keinesfalls entschärfen. Denn man würde nach wie vor fragen, welche Werte und Verhaltensweisen ein Einwanderer mitbringt. Aber man würde dadurch vermeiden, pauschal eine ganze Religionsgruppe (1,2 Mrd. Menschen) in einen Sack zu stecken. Dein Punkt iii wirkt aber grob pauschalisierend, so dass er kaum Signal einer besseren Theorie sein kann. Die bessere Theorie muss auch eine bessere Erklärung liefern. Dazu muss man insgesamt aus der Verwendung von Großschemata aussteigen („Das Herrschaftssystem“, „Die Kultur“).

    Eine angemessene Theorie muss näher bei den empirischen Tatsachen sein. Sie sollte in der Lage sein, sehr unterschiedliche Phänomene in den Griff zu kriegen. Dazu gehört die jüngere Geschichte im Nahen Osten. Dazu gehören die homegrown terrorists aus den französischen Banlieues, die eine sehr eigenwillige Islamauslegung haben. Dazu gehört die Erfassung des gesamten Spektrums des Islams mit allen seinen Strömungen, sowohl den radikalen als auch den gemäßigten wie auch die regionalen Unterschiede in den islamischen Ländern und vieles mehr.

    Was ich hier bislang lese, gehört aber eher in die Kategorie Holzhammer.

    • @lomi

      Mangels Zeit erstmal nur eine knappe Reaktion:

      „Was ich hier bislang lese, gehört aber eher in die Kategorie Holzhammer.“

      Ja, das muß ja auch so sein, denn ich frage hier nicht danach, welcher der beste, mit linken Werten verträgliche und auch vertretene Standpunkt ist, sondern danach, was mehrheitsfähig ist. Und kluge Differenzierungen sind das so gut wie nie.

      Vergleiche: Was ich über Feminismus sage, ist in der feministischen Praxis sicher nicht mehrheitsfähig, obwohl ich über Feminismus vermutlich sehr viel mehr weiß, als die meisten Feministinnen.

      „Üblicherweise ist der Standpunkt linker Vordenker sehr viel differenzierter.“

      Mag sein, aber wird der auch benutzt, um praktische Politik zu machen? Nein. Da ziehen ganz andere Parolen.

      „Du aber musst Dich sehr hüten, nicht in einen plumpen Kulturalismus zurückzufallen“

      Ich denke nicht, daß das mein Problem ist: Ich bin vielmehr einer dieser Religionshasser, die glauben, daß nur Religionen guten Menschen dazu bringen können, etwas Schlechtes zu tun. Der Unterschied zwischen einer westlichen Kultur und einer arabischen liegt weniger darin, daß die Religionen ihre jeweilige Kultur nicht geprägt hätten, sondern darin, daß wir in unserer Kultur keine Religion mehr erkennen und auch nicht mehr gläubig sind.

      Richtig ist aber, daß ich der Linken NICHT mehr zutraue, ERNSTHAFT Kulturkritik zu treiben oder ERNSTHAFT epistemischen oder moralischen Relativismus zu bekämpfen oder ERNSTHAFT Religionskritik zu üben oder ERNSTHAFT Kapitalismuskritik zu üben .. und die Liste läßt sich fast beliebig fortsetzen. Vor allem traue ich den Linken nicht zu, über ihre feministische Vergangenheit zu reflektieren.

      Nicht, daß ich das alles anderen Parteien zutrauen würde, aber es gibt keine Parteien, die so enttäuscht haben, wie die Linken in den letzten Jahren.

      „Allein schon die Differenzierung zwischen Verhaltensweisen, die der Islam geprägt hat, und Verhaltensweisen aus der Stammesgesellschaft, ist hilfreich.“

      Mein Standpunkt war immer der, daß die Quelle aller Probleme darin liegt, daß eine bestimmte Auslegung des Islam auf eine bestimmte Kultur trifft. Diese Sichtweise kann man gar nicht vermeiden, denn viele Kulturen sind ähnlich gewalttätig, ohne islamisch zu sein und andere islamische Kulturen sind friedlich. Auch die Religion allein kann es nicht sein, es gibt z.B. durchaus buddistische Terroristen. Aber rein säkuläre Gesellschaften sind immer zivilisierter als religöse – klare Sache.

      „Dein Punkt iii wirkt aber grob pauschalisierend, so dass er kaum Signal einer besseren Theorie sein kann.“

      Ich bin mir nicht sicher, was du hier erklärt haben willst. Ich jedenfalls beanspuche nicht, erklären zu können, wie es zu den Vorfällen am Kölner Haupptbahnhof gekommen ist oder irgendetwas in der Art. Das Einzige, was mich hier interessiert, ist die Frage, wie die Politik der Linken in der Flüchtlingsfrage zustande kommt, warum sie so verrückte Sachen machen und sagen. Andere Sgnale habe ich gar nicht gesetzt und andere Themen kommen in meinem Post nicht vor – bis auf die Kritik am Linken Maskulismus.

      Das video habe ich mir natürlich noch nicht anschauen können.

    • Tja, LoMi, ich bin ja nicht sicher, ob du das Video gesehen hast, aber nachdem ich es mir angesehen habe, scheint es mir unabweisbar, daß es genau das bestätigt, was ich behauptet habe.

      Was wird berichtet:

      1. Ursünde: Sturz von Mossadeq durch Briten mit Hilfe der Amis, die weiter verdienen wollten, weil sie nicht die Finger von ihrem bösen, bösen Kolonialismus lassen konnten.

      2. Von USA eingesetzter Schah von Persien unterdrückt in totalitärer Weise demokratische Bewegungen nicht nur in Persien, sondern in der gesamten Region.

      3. Kohmeni’s islamische Revolution ist nur eine Reaktion auf die Zerstörung aller anderen gesellschaftstragenden Schichten durch den bösen, bösen Schah.

      4. Der Einmarsch der Russen in Afghanisten wurde von den bösen, bösen Amis gewünscht, provoziert und vorbereitet. Diese daraufhin erfolgende zweite Radikalisierung der Muslime geht auf eine Kooperation der USA mit Saudi Arabien zurück. Saudi-Arabien ist der wirtschaftliche und islamische Konkurrent des Iran. Al-Kaida ist das arabische Wort für Register, und geht aus das von der CIA angelegte Verzeichnis aller aus dem Ausland angewobenen Mudschahedin für Afghanistan zurück.

      5. Der erste Golfkrieg kam zustande, weil in 8 Jahren Krieg der Irak nicht den gerade infolge der Revolution innenpolitisch schwachen Iran bezwingen und sich dessen Ölfelder krallen konnte – alles angezettelt vom großen Satan USA, der einen Sieg des Iran durch Bewaffnung des Irak verhinderte. Saddam suchte danach dringend Geld, der Irak war Pleite.

      6. Im ersten Golkrieg, der nur eine Reaktion von Saddam auf seine Iran-Niederlage mit katastrophalen finanziellen Folgen für Irak war, wollte Osama gegen den Irak kämpfen, das wollten aber die Saudis nicht und weil die bösen Amis zu nahe an den heiligen Stätten des Islam ihre Panzer hatten, beschloßen die radikalisierten Muslime mit Osama den bösen Ungläubigen und alle seine Helfer zu vertreiben.

      7. USA und GB haben in der Folge aus imperialistischem Stolz im Sicherheitsrat Resolutionen durchgesetzt, um Irak wirtschaftlich zu zerstören und Irak in eine humanitäre Katastrophe zu stürzen. Die Folge war eine Radikalisierung der irakischen Bevölkerung und ein tiefsitzender Hass gegen den Westen und eine Solidarität mit Saddam. Das 9/11-Ereignis lieferte den USA den lange gesuchten Vorwand, die irakische Regierung im völkerrechtswidrigen zweiten Golfkrieg zu beseitigen.

      8. Das ist das generelle Schema im nahen Osten: Alle pro-westlichen Regierung – und seien sie noch so übel – werden gestützt und alle anderen werden als Feinde behandeln.

      9. In dieser vom Westen künstlich herbeigeführten Notlage, solidarieren sich die Iraker mit ihren Clans und ihren Glaubensbrüdern, Ethnien, um sich – soweit als möglich – zu helfen. Und da es nicht für alle langt, entstehen ethnische Konflikte, die auf historische Konkurrenzen zurückgehen: Sunniten kämpfen nun gegen Kurden und Schiiten und die Schiiten versuchen alles, um armen Sunniten zu marginalisieren. Der IS entsteht aus der daduch radikalisierten sunnitischen Bewegung, weil die Amis gegen die Sunniten vorgegangen sind, um deren Machtstreben gegen die erdölbesitzenden Kurden und Schiiten einzudämmen. IS und Al-Kaida kooperieren nicht, da der IS im Gegensatz zu Al-Kaida nur nationale Ziele verfolgt und Al-Kaida spielt in Irak kaum eine Rolle mehr.

      10. IS war lokal begrenzt bis zur Entstehung des Syrienkonfliktes, wo aus einem Bürgerkrieg ein Stellvertreterkrieg wurde, weil die Sunniten zwar die Mehrheit der Bevölkerung stellen, aber die Minderheit der Aluiten, die Macht haben. Der Aufstand wurde getragen von den verarmten sunnitischen Schichten. Nun ist aber Syrien der wichtigste Verbündete des Iran, über den auch der Nachschub für Iran läuft. Die Idee der USA war, eine sunnitische Regierung einzusetzen, damit Iran geschwächt wird und auch seinen Naschub für die israelfeindliche Hisbollah in Libanon einstellt.

      11. Dieser Plan ging nicht auf, weil Assad Hilfe von China und Russland bekam, die nach der eigentlich in den (2+4)-Verträgen ausgeschlossenen Nato-Erweiterung bis an die Grenzen Russlands und den Ereignissen in Lybien keine Lust darauf hatten, daß sich der böse, böse Westen ein weiteres Land im Nahen Osten unter den Nagel reißt.

      12. Assad hat sich in dieser Lage darauf konzentriert, aluitische Kerngebiete und einige gut entwickelte Regionen von Syrien zu halten und Gebiete an der Grenze zur Türkei und zum Irak sich selbst zu überlassen. Dieses Machtvakuum hat der IS gefüllt und dabei auch Ölquellen eingenommen, die seine wirtschafliche Stabilität garantierten und es ihm erlaubten nach und nach weitere Gebiete zu erobern. Erst da wurde der Westen hellhörig und bemerkte, daß es schon lange eine neben Al-Kaide von den USA gemachte, zweite radikale und militärische Bewegung der Sunniten in Syrien gab, die der wahabitischen Bewegung in Saudi-Arabien verschwesterte IS, die begann, die Lage dort zu dramatisieren.

      13. Nun wird das weltweite militärische Engagement der USA langsam etwas teuer und die USA drängen daher ihre Bündnispartner und vor allem die Europäer dazu, die bisherigen Kriege der USA nun auf eigene Kosten zu übernehmen. Joachim Gauck nennt das „mehr Verantwortung übernehmen“.

      So. Bis hierin – das ist etwa 55. Minute – ist das alles ganz nachvollziehbar. Und nun kommt der Linke in dem Vortragenden den zum Vorschein und er wettert weiter, wie folgt:

      „Das alles ist ein Kampf um Fleischtöpfe, der vom Westen angezettelt und orchestriert wird. Mit Islam und Kampf der Kulturen hat das nichts zu tun.“

      Ach nein?

      Wurde nicht die ganze Zeit benutzt, daß Muslime sich aus religiösen Gründen radikalisieren und sich entlang von Glaubensgrenzen Koalitionen und Konflikte bilden?

      Damit das klar ist: Zweifellos ist es der böse Westen, der hier Grillanzünder mit beiden Händen verteilt, Propaganda betreibt und die Völker für eigene Zwecke zu instrumentalisieren versucht und zwar aus finanziellen Motiven. Aber könnte diese ganze Geschichte auch ohne die Erwähnung von Wahabiten, Sunniten und Schiiten so ablaufen?

      Eigentlich nicht, oder? Und das ist mein Punkt hinsichtlich des Islam.

      Und danach folgt eine Bestätgung meiner These unter iii): Der böse Westen mit seiner nach wie vor kolonialistischen Grundhaltung ist schuld an der Zerrüttung des Nahen Ostens und – logisch – auch die Europäer, die nun für die USA die Kriege führen, müssen dafür büssen … irgendwie … und da kommen die Flüchtlingsströme gerade recht, da kann man das moralische Gewissen schnell wieder beruhigen.

      Mal ehrlich – mit dem Video hast du deiner Position keinen Gefallen getan – im Gegenteil: Was ich vorher als Vereinfachung gesehen habe, scheint viel stärker real zu sein, als ich es vorher dachte.

      Aber unabhängig von all dem – ein sehr gutes Video, danke.

      • lomi sagt:

        „Aber könnte diese ganze Geschichte auch ohne die Erwähnung von Wahabiten, Sunniten und Schiiten so ablaufen?“

        Zu dieser Frage gibt Lüders auch eine Antwort. Die lautet ungefähr: Die Gemengelage verschwistert sich mit dem Wahabitismus, den er als mittelalterlich und radikal ansieht. Hier kommen zwei Faktoren zusammen. Ein Interessenkonflikt und eine radikale Ideologie. Damit ist die Kultur als Faktor berücksichtigt.

        Davon abgesehen kenne ich kein Buch, dass nicht irgendwie Kritikwürdiges enthält, was mich selten dazu bringt, es in Bausch und Bogen zu verdammen ^^

        • @LoMi

          „Die Gemengelage verschwistert sich mit dem Wahabitismus, den er als mittelalterlich und radikal ansieht.“

          Eben. Die Religion ist ein wesentlicher Faktor – wie auch die spezifische Kultur.

          • Lomi sagt:

            Ja. Natürlich ist die Religion ein Faktor. Das bestreitet Lüders doch auch nicht. Aber die Religion wird unter bestimmten Umständen zum Faktor. Nämlich: Wie wurde der Wahabitismus dominant? Was hat das begünstigt? Er ist eine von mehreren Auslegungen des Islam. Wenn ich mich richtig erinnere, sieht Lüders hier unter anderem Stammeszusammenhänge als wichtige Erklärung an. Gewisse Islamströmungen decken sich nicht-zufällig mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Stämmen. Insofern kommen hier recht weltliche Motive ins Spiel, siehe Schiiten und Sunniten. Sie benutzen Religion, um eigentlich ökonomische und politische Machtkämpfe auszutragen. Wir Europäer kennen so etwas aus dem 30-jährigen Krieg.

            Um es mal kurz zu machen: Historiker und Sozialwissenschaftler finden es üblicherweise selbstverständlich, mehrere Faktoren heranzuziehen, eben Macht, Geld, Kultur usw. als Teile einer komplexeren Erklärung zu benutzen. Das gilt auch für tendenziell linke Vertreter dieser Zunft. Ich würde vorschlagen, doch erst einmal den Bestand an Wissen zu würdigen, anstatt das Rad neu zu erfinden.

            • @LoMi

              Na ja … aber so würde ich auh argumentieren.

              Solltest du also

              „Wie wurde der Wahabitismus dominant? Was hat das begünstigt?“

              so verstehen wie ich – nämlich als: „Es hat mit den Eigenschaften des Wahabitismus zu tun, daß x ihn im Kontext k dominant gemacht hat hat und insbesondere der Umstand U hat die begünstigt, weil der Wahabitismus die Eigenschaft F hat bzw. von seinen Anhängern in der Art A verstanden wird.“

              dann weiß ich nicht genau, wo zwischen uns der Dissenz besteht.

  3. […] hat das Stammheim-Schema der Linken auch den den Feministen gewirkt und dazu geführt, ihren Atheismus zum Teufel zu […]

  4. Shitlord sagt:

    Ich hatte Deinen Blog bislang nicht im feedly, weil Dein Schreibstil es ja nun eher erfordert, beim Lesen mehr als beiläufig mitzudenken und ich Blogs normalerweise auf dem Klo lese und nur eventuell danach was dazu schreibe, aber jetzt biste halt drin. Und das hier war der zehnte Beitrag im Feedly, und da störte mich das Folgende:

    > Das alles erklärt selbstverständlich nicht, warum die Rechten diesen Wahnsinn mitmachen und jede Verantwortung für künftige Generationen verweigern.

    _Welche_ „Rechten“? Ich verstehe Dich jetzt mal so, als sind alle nicht-Linken „Rechte“ und wir reden nicht vom Neonazistammtisch Gera-Hilbersdorf. Es _gibt_ intellektuelle, intelligente „Rechte“, natürlich, aber die machen das _nicht_ „mit“. Ich mache den Unsinn nicht mit. Du machst den Unsinn nicht mit. Michael Klein macht den Unsinn nicht mit. Hadmut Danisch macht den Unsinn nicht mit. „Wir“ sind halt nur eine kleine Minderheit, die sich lieber (wie ich, aus Sicherheitsgründen) in der Anonymität versteckt oder gleich auswandert (M. Klein), _weil_ wir eben – im Gegensatz zu den linken Spinnern – wirklich was _zu verlieren_ haben (also, mehr als Hartz4).

    Und die _Verantwortung für künftige Generationen_? _Ich_ setze in _diese_ Welt _sicher_ keine Kinder. Dafür, dass andere Leute das machen, kann ich nichts. Sollen die sich drum kümmern; war ihre freie Entscheidung. Danke, Menschheit, dass ich leben durfte; aber vor 30 Jahren hätte ich viel lieber gelebt, da hätte ich noch beim Essen rauchen dürfen. Ich _kann_ guten Gewissens keine „künftige Generation“ verantworten. Weswegen ich keine mache. Das ist keine Verweigerung, das ist… vernünftig?

    Natürlich „sollten“ meine Frau und ich Kinder haben, das wären die, die die Gesellschaft „braucht“. Aber ich will weder eine Tochter, die von irgendwelchen Assos vergewaltigt wird, noch einen Sohn, dem irgendeine Frauenquoten-Dummtrulla vorgezogen wird. Das ist das schöne an „Demokratie“: Die Gesellschaft hat sich ihren eigenen Untergang selbst zuzuschreiben. Ich hab’s gesagt, Du hast’s gesagt, der Danisch und der Klein haben’s gesagt. Nicht unsere Schuld, wenn uns niemand zuhört.

  5. Peter sagt:

    „““Der von den Linken verfochtene Typus normativer Ethik ist der narrative. Damit ist er nicht universalistisch und erlaubt es nicht, Verantwortung für künftige Generationen zu übernehmen.“““

    Das verstehe ich nicht. Es sind doch gerade die (grossen) Narrative, die universellen Deutungsanspruch erheben. Die Stärke des Feminismus ist sein simples universelles Deutungsmuster, nämlich die Erzählung der Geschichte als Geschlechterkampf. Der Marxismus deutet die Geschichte als Klassenkampf, der Nationalsozialismus als Rassenkampf. Was man auch immer von den genannten Ideologien halten mag – sie entfalteten oder entfalten noch immer grosse Wirkung, gerade weil sie ein einfach zu verstehendes und einfach anwendbares universelles Deutungsmuster anbieten.

    I.m.h.o fehlt der Linken, und nicht nur ihr, die Praxis einer deskriptiven Ethik, die zunächst Fakten sammelt und sich vorschneller Urteile enthält. Das wäre wesentlich besser, als die Komplexität soweit zu reduzieren, um sodann das einzelne Ereignis ins „grosse Narrativ“ einzufügen – wenn auch leider weniger wirkungsvoll im politischen Prozess.

    • „Das verstehe ich nicht. Es sind doch gerade die (grossen) Narrative, die universellen Deutungsanspruch erheben.“

      Hier geht es nicht um einen Konflikt wie Moderne vs. Postmoderne, sondern um eine Relativierung der ethischen Korrektur- und Leitungsansprüche: Anders als sonst geht es hier nicht um universelle, handlungsleitende Standards wie in Deontologie oder Konsequentialismus, sondern um die Auswahl der moralisch richtigen Reaktion auf eine konkrete Handlung oder ein konkretes Ereignis. Was moralisch richtig ist, wird nach aus Empathie und Mitgefühl kontextabhängig erwachsenden Werten oder Werterfahrungen entschieden. Damit wird ethisch richtig, was als ethisch richtig erfühlt wird.

      „Der Marxismus deutet die Geschichte als Klassenkampf, der Nationalsozialismus als Rassenkampf.“

      Die wenigsten Linken sind Marxisten. Wo ist hier der Zusammenhang?

      „I.m.h.o fehlt der Linken, und nicht nur ihr, die Praxis einer deskriptiven Ethik, die zunächst Fakten sammelt und sich vorschneller Urteile enthält. Das wäre wesentlich besser, als die Komplexität soweit zu reduzieren, um sodann das einzelne Ereignis ins “grosse Narrativ” einzufügen – wenn auch leider weniger wirkungsvoll im politischen Prozess.“

      Und darum wäre das besser?

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