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Gibt es eine richtige Strategie in der Geschlechterdebatte?

Die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „philosophisches Trockenfutter“ in Jawo’s links hat mir in Erinnerung gebracht, daß vielleicht doch nicht jeder sofort versteht, was in den letzten Wochen auf diesem blog passiert und welche Vorteile ein wenig Begriffsgynmastik so mit sich bringt. Die Sache vereinfacht sich glücklicherweise dramatisch, wenn man die Folge der letzten posts aus der strategischen Vogelperspektive betrachtet. Das machen wir jetzt einfach mal und unterbrechen die Serie systematischer Fortschritte.

Ok, fangen wir noch mal ganz von vorne an. Angesichts der momentanen gesellschaftlichen Lage, steckt jeder Maskulismus in meinen Augen in derselben Zwickmühle:

  • a) Einerseits will er sich gegen Misandrie wehren und etwas für Männer tun. Aber einfach nur zu wiederholen, daß Männer gegenwärtig nicht wie Frauen behandelt werden – Argument des Symmetriebruchs, von Lucas Schoppe mit endloser Geduld wiederholt – sind einfach zu schwach. Denn alle glauben, daß es für diese Ungleichbehandlung ja Gründe gibt … viele Gründe … gute Gründe … weil: Männer sind eben so … und dann geht das los: „bla bla bla bla bla …“
  • b) Andererseits wird der Feminismus nicht müde, die traditionellen Geschlechterrollen wiederzukäuen, nach der Männer animalische Unholde sind und überhaupt was gegen Frauen haben, daß sie sie fertigmachen, schmähen, benachteiligen, schänden und versklaven wollen. Damit fördert der Feminismus gerade den Mythos der guten Gründe aus a). Wer nun aber was gegen Feminismus vorbringt, um den Sumpf der bösartigen Gerüchte trockenzulegen, dem wird als Motiv Frauenfeindlichkeit unterstellt. Und traut man nicht dem Motiv, so traut man – poststrukturalistischerweise – auch nicht der Aussage. Denn Frauenfeindlichkeit gilt als das sicherste Anzeichen pleistozänischer Barbarei, das sich ein politisch korrekter Geist heutzutage vorstellen kann.

In dieser Situation einer verzweifelten Lösungssuche scheint der Biologismus engelsgleich aus Dawkins Himmel herab zu schweben, indem er unverdrossen verkündigt, daß völlig natürlich sei, was scheinbar so schrrröcklich ist: Das mit der Kultur und den Männern sei gar nicht so wild und die herrschenden – vom gesellschaftlich dominierenden Feminismus als unmoralisch und unzivilisiert gebrandmarkten – Zustände würden hauptsächlich die eine oder andere biologische Funktion erfüllen. Den Biologisten bleiben hiervon ausgehend zwei Möglichkeiten: Die einen sagen, daß doch irgendwie OK sei, wie es so laufe. Die anderen sagen, daß das so alles nicht OK sei und in Wahrheit die Frauen von ihrem biologisch motivierten, unmoralischen Verhaltensweisen ablassen müßten.

  • Wer an dieser Stelle jetzt nicht gemerkt hat, daß Biologisms unter diesen Umständen nicht das Mittel der Wahl ist, um dem Maskulismus aus der o.g. Patsche zu helfen, sollte sich – evolutionär gesehen – noch mal die Eignungsprüfung zur Amöbe vornehmen. Und dabei sind die Mängel des Biologismus als Wissenschaftstheorie sowie als Theorie sozialer Interaktion noch gar nicht genannt worden.

So war die Lage bisher. Also – was kann man da machen?

Der Biologismus scheitert, weil er die Um- und Neubewertung sozialer Tatsachen einfach entweder mit dem Hinweis verlangt, daß Natürliches sooo falsch nicht sein könnte – währenddessen in der Natur das Prinzip „fressen und gefressen werden“ vorherrscht – oder indem er die Kritik an Frauen verschärft. Mal ehrlich: Das kann so einfach nicht klappen. Was der Biologismus aber erreichen könnte, wenn er die Um- und Neubewertung vernünftig begründen könnte, wäre interessant herauszubekommen. Erwarten kann man diese Leistung von Biologisten natürlich nicht: Sie verstehen ja nicht mal die Arbeitsweise und akademische Berechtigung der Sozialwissenschaften.

Man kann auch versuchen, ganz sachlich über die Gerüchte aufzuklären, die über Männer so kursieren: Man kann Statistiken bringen und Geschichten von Männern erzählen, die die herrschende Misandrie ad absurdum führen. Das macht der linke Maskulismus seit 15 Jahren so und es hat sich als weitgehend unwirksam erwiesen. Der Grund dafür ist auch bekannt: Indem sich Feministen der traditionellen Geschlechterrolle des Mannes bedienen, machen sie die Probleme der Männer systematisch lächerlich und versuchen dadurch, diejenigen Männer in ihrer Männlichkeit – auch und vor allem in den Augen der Frauen – zu beschämen, die Misandrie und strukturelle Probleme der Männer sichtbar machen. Feministen finden das OK, denn sie folgen einer narrativen Ethik, die allein das als moralisch richtig klassifiziert, was als Reaktion auf eine Handlung, ein Ereignis oder eine Äußerung in einem bestimmen Kontext als angemessen erscheint. So erfolgreich diese Rethorik auch ist, sie funktioniert nur, solange keiner daran zweifelt, wann ein Mann ein guter Mann ist.

  • Spätestens jetzt sollte man den dringenden Verdacht haben, daß Bewertungen aufs Korn zu nehmen, einige Kartenhäuser zum Einsturz bringen müßte.

Für den Feminismus gilt das auf jeden Fall: Denn dessen Geschlechterrevanchismus beruht auf der Annahme, daß die Freiheit von Frauen durch Männer beschränkt wird und so die Autonomie, i.e. die Selbstbestimmung der Frauen untergeht, indem Frauen aufgrund ihres Geschlechtes von Männern in betrügerischer Weise abgewertet werden. Nur wissen Feministen leider gar nicht so genau, wie sie denn präzise feststellen sollen, daß diese Annahme auch wahr ist – was die vielen hirnrissigen und einander auch widersprechenden Aktionen der feministischen Praxis der letzten Jahrzehnte erklärt.

Infolgedessen kann es nur zwei Sorten von effektivem Antifeminimus geben: Der Sache nach ist effektiv wirksam gegen Feminismus

  1. jede deskriptive Theorie personaler Autonomie, die zeigt, daß Feminismus den Freiheitsbegriff falsch versteht. (Das wird auf diesem blog in späteren posts noch zu zeigen sein.)
  2. jede normative Theorie, die zeigt, daß das Verständnis des feministischen Freiheitsbegriffs unmoralisch ist. (Das ist bereits zum Teil geschehen und wird demnächst vollständig sein.)

Die erste Option kann man offenbar vergessen: Der poststruktualistische Drall herrschender Popkultur und damit die Ablehnung so elementarer Konzepte wie Wahrheit oder Objektivität für alles Soziale oder Geisteswissenschaftliche ist so massiv, daß man sich damit allein nur lächerlich machen kann. Die zweite aber kann was, denn der Feminismus kommt selbst nicht darum herum, einen moralischen Realismus zu vertreten – und damit auch die These, daß einige moralische Aussagen objektiv wahr sind. Also – es gibt genau eine Chance, die Sache richtig zu machen:

  • i) Man braucht eine Theorie, die besagt, daß es moralisch verboten ist, den menschlichen Freiheitsbegriff so zuzuschneiden, wie der Feminismus das tut.
  • ii) Wenn man es verpaßt, die Sache so zu drehen, daß der Feminismus der allerersten Prämisse, dem ersten Schritt zur Entwicklung dieser normativen Theorie selbst zustimmt, dann geht das ganze Drama von vorn los.

Gut. Und? Was macht ihr so?

Was ich gemacht habe, ist Folgendes: Wenn der Feminismus selbst den Unterschied zwischen berechtigter Kritik an Frauen und patriarchaler Abwertung nicht kennt, dann wird er doch sicher nichts gegen

  • ein Demütigungsverbot und ein Verbot der Verletzung der Selbstachtung bei Menschen

haben. Richtig? Na, das trifft sich gut, denn aus dieser Annahme allein kann man ein moralisch abgesichertes Verständnis von Menschenrechte begründender Menschenwürde entwickeln, das seinerseits einen Freiheitsbegriff impliziert, welcher inkompatibel ist mit dem seitens des Feminismus via Simone de Beauvoir vom atheistischen Existentialismus ererbten Freiheitsbegriff. Und das Ganze nennen wir jetzt analytischen Humanismus und sagen, daß vom Standpunkt eines analytischen Humanismus aus, sich gegen Misandrie und für Männer stark zu machen, analytischer Maskulismus heißt – kann uns ja auch schließlich keiner verbieten.

  • Der Trick am analytischen Humanismus ist zweierlei: Einerseits entkoppelt er sich von der Diskussion um den Biologismus und kann daher unabhängig von Naturalisierungsforderungen entwickelt werden. Das bedeutet, daß man analytischer Humanist und Biologist zugleich sein kann, das ist kein Widerspruch. Und andererseits zertrümmert diese Entkopplung den Feministen die Behauptung, hier wären Frauenfeinde am Werk, die nur diejenige Primitivität schönreden würden, der man gerade mit Hilfe des Feminismus zu entfliehen versuche.

Na, bitte.

Dann drehen wir jetzt doch mal nicht nur dem Feminismus den Saft ab, sondern auch der von Frauen so ausgiebig zelebrierten Misandrie. Denn die Position des analytischen Humanismus hat im Hinblick auf maskulistische Interessen und Männerinteressen mehrere unmittelbare Folgerungen:

  • Sie verpflichtet den analytischen Maskulismus auf einen Antifeminismus. Eine solche moralische Begründung des Antifeminismus gab es vorher nicht.
  • Sie verpflichtet den analytischen Maskulismus aus moralischen Gründen auf eine Ablehnung des Typs narrativer Ethiken zugunsten eines deontologischen Ansatzes und damit auf eine Ablehnung der sog. political correctness. (Das wird auf diesem blog in späteren posts noch zu zeigen sein.)
  • Stattdessen kommt der analytische Maskulismus um eine umfassende, moralische Pflicht zur Aufklärung nicht herum. Die Folge ist ein konsequentes Bekenntnis zum Paradigma der Moderne und zur Ablehnung des Poststrukturalismus.

Der positive Freiheitsbegriff des analytischen Humanismus zieht seinerseits gravierende, teils politische, teils rechtliche, teils soziale Forderungen in Bezug auf Männer nach sich:

  • Die kodifizierten Rechte der Männer müssen die humanistische Gestaltungsfreiheit der Männer beschützen. Dazu gehört auch das rechtliche Verbot der bisher erlaubten Zwangsvaterschaft von Männern sowie eine Stärkung der Rechtsposition biologischer Väter zu Lasten der Rechtspositionen von Mutter und Ehemann: Die moderne Väterrechtsbewegung – inklusive der Kuckucksväter – kann sich zu einem guten Teil auf den analytischen Humanismus stützen. (Max Kuckuckvater, emannzer und aranxo warten schon ewig darauf, daß wir dieses Thema zusammen stemmen.)
  • Die fortgesetzte Misandrie weiter Teile der Bevölkerung ist anti-humanistisch und unmoralisch und kann nicht länger hingenommen werden – was viel stärker als das bloß relative Benachteiligungsverbot des linken Maskulismus, der integrale Antisexismus, ist.
  • Desweiteren ist die staatliche Verfolgung, sowie die nahezu lückenlose, auch öffentliche Schmähung und Diffamierung männlicher Sexualität ebenso unmoralisch, wie unerträglich: Männer müssen seit Jahrzehnten ihre Sexualität verleugnen und ihre gesellschaftlichen, sexuellen Freiheiten bleiben weit hinter denen der Frauen zurück: Die vom Feminismus geforderte sexuelle Revolution inklusive einer sexuellen Würde steht auch den Männern zu.
  • Falls die vom Feminismus verfochtene These stimmt, daß Sexualität ein wesentlicher Bestandteil der Lebensweise und der Persönlichkeit ist, dann müssen Männer gegenwärtig ihre Persönlichkeit in fortgesetztem Kampf gegen staatlich geförderte und gesellschaftlich gewünschte Deformierungsbemühungen entwickeln. Das aber ist nicht humanistisch und damit unmoralisch – und zwar nach einem in der Belletristik seit Jahrhunderten etablierten Konzept dessen, was es heißt eine Person zu sein.

Und das alles haben wir aus nur einer einzigen Sache herausgedreht: aus dem kleinen, unschuldig dreinblickenden, moralischen Demütigungsverbot, dem der Feminismus selbst so eifrig zugestimmt hat. Der Rest war – mehr oder weniger –  „Vorzeichengymnastik“.


20 Kommentare

  1. „In dieser Situation einer verzweifelten Lösungssuche scheint der Biologismus engelsgleich aus Dawkins Himmel herab zu schweben, indem er unverdrossen verkündigt, daß völlig natürlich sei, was scheinbar so schrrröcklich ist: Das mit der Kultur und den Männern sei gar nicht so wild und die herrschenden – vom gesellschaftlich dominierenden Feminismus als unmoralisch und unzivilisiert gebrandmarkten – Zustände würden hauptsächlich die eine oder andere biologische Funktion erfüllen“

    Auch das verstehst du falsch: In der Biologie geht es nicht um eine moralische Wertung, das wäre ein naturalistischer Fehlschluss.

    Es ist eher wie ein Brandgutachten: Es zeigt auf, warum das Haus brennt und was man machen muss um zukünftige Brände zu verhindern. Ob Brände hier gut oder schlecht sind ist eine ganz andere Frage.

    Eine Theorie ohne Biologie behauptet dann eben vorsätzliche Brandstiftung bestimmter Bewohner wo keine ist. Meist mit einer Begründung wie „das Feuer hier nützt ihnen, sie gewinnen dadurch Macht“. Tatsächlich entsteht die Hitze im Geschlechterkampf schlicht durch Reibung beide an feuergefährlichen Stellen

    • lomi sagt:

      Dann ist es kein Biologismus. Biologismus ist es dann, wenn es Gut und Böse ableitet aus Naturtatsachen. Das tun z.B. Leute, die biologische Geschlechtsunterschiede feststellen und auf dieser Basis behaupten, dass die Geschlechterordnung sich an diese Unterschiede anpassen müsste.

      Biologismus kann man ferner eine Perspektive nennen, die ihren Kompetenzbereich überdehnt, indem sie auch kulturelle Sachverhalte versucht biologisch zu erklären. Das ist analog zu etwa einem „Soziologismus“, der Naturtatsachen als durch menschliches Handeln gemacht behauptet.

      • @Lomi

        Ich orientiere mich da an Elmars Bild von „Biologismus“

        https://jungsundmaedchen.wordpress.com/2013/10/17/biologie-der-geschlechter-2/

        „Im Folgenden wollen wir Leute, die eine biologische – präziser – eine neuronale oder auch neurophysiologische Erklärung für bestimmte mentale Phänomene, für bestimmte Handlungen, Dispositionen, Gedanken oder Gefühle bzw. für soziale Phänomene vorbringen, Biologisten nennen.“

        Wie häufig verwendet Elmar eigene Definitionen, die besser in seine Wertung passen.

        • @EvoChris

          „Ich orientiere mich da an Elmars Bild von “Biologismus”“

          Das Bild ist längst überholt. Es gibt Menschen, die entwickeln ihre Ansichten weiter. Das ist nicht unbedingt ein Sonderfall, es kann auch der Normalfall sein. 😉

          Sollte die Diskussion wieder in eine völlig überflüssige „MEIN ANSICHTEN ÜBER BIO SIND RICHTIG“-Gesülze ausarten, dann lösche ich alle dazugehörigen Kommentare.

          Denn das Thema dieses postes ist ein anderes. Auf Biologismus komme ich schon noch zu sprechen, aber erst mal sind die Männer wichtiger als die Schwanzlänge von EvoChris.

        • lomi sagt:

          Diese Definition ist schlüssig. Post von Elmar gestern: Handlungsgründe liegen immer sprachlich vor, sie sind begriffsgestützt. Schlussfolgerung: Wenn auch Sprachvermögen biologisch bedingt ist, ist es die jeweils konkrete Sprache nicht. Handlungsgründe sind demnach keine biologisch erklärbaren Tatsachen. Folglich wäre nach Elmars Definition jede Rückführung solcher Handlungsgründe auf Biologie ein Biologismus.

          • „Handlungsgründe liegen immer sprachlich vor, sie sind begriffsgestützt.“

            Die Ausformulierung von Handlungsgründen ist begriffsgestützt. Wir essen aber nicht, weil es einen Begriff von Nahrung, Kalorien etc gibt,
            Wir essen weil wir aus biologischen Gründen dazu motiviert sind. Würden wir künstlich eine Sprach ohne Begriffe von essen schaffen (ich vermute das ist unmöglich, aber gut) dann würde der Handlungsgrund dennoch bestehen.

            oder kannst du mir logisch erklären wie man ihm bei diesem sehr simplen Beispiel wegbekommt?

            • lomi sagt:

              „Wir essen weil wir aus biologischen Gründen dazu motiviert sind.“

              Dem stimme ich zu. Aber damit hast Du noch nicht alles vom Thema Essen erfasst. Also wir haben hier eine biologische Notwendigkeit zu essen. Das ist ubiquitär. Interessant ist aber, wie wir zu unserem Essen kommen und wie wir die Nahrungsaufnahme gestalten. Da wird es sozial und kulturell und ökonomisch. Der weit wesentlichere Teil des Essens findet in diesen Bereichen statt, was uns vielleicht nicht mehr ganz so bewusst ist, weil wir unser Essen im Supermarkt kaufen.

            • @lomi

              „Dem stimme ich zu. Aber damit hast Du noch nicht alles vom Thema Essen erfasst. Also wir haben hier eine biologische Notwendigkeit zu essen. Das ist ubiquitär.“

              Wir haben insbesondere einen Wunsch zu essen. Wir haben auch einen Wunsch, Kohlenhydrate und Fett zu essen, wir essen gerne Eis, Chips, Süssigkeiten weil unser Körper auf einem bestimmten Programm läuft und uns bei Anblick entsprechender Speisen Hunger signalisiert und bei deren Verzehr Glückshormone ausschüttet. Deswegen werden wir zu einem nicht geringen Teil Fett, obwohl wir schlank, sportlich und gesund bleiben wollen

              Diese Biologie ist nicht kausal in dem Sinne, dass wir uns nicht dagegen entscheiden können. Wir sind aber disponiert dazu der Verführung nachzugeben, wir wollen es gerne, wir fühlen einen gewissen Zug in diese Richtung, und deswegen sind viele Leute Fett. Ganz ohne Kausalität im engen Sinne

              Mit dem obigen Schema und ohne Zugeständnis, dass da Biologie wirkt, können wir das nicht verstehen. Damit ist das obige Schema zur Erfassung menschlichen Handelns ungeeignet.

              „Interessant ist aber, wie wir zu unserem Essen kommen und wie wir die Nahrungsaufnahme gestalten“

              Klar, aber deswegen wird die Biologie nicht unwesentlich. Wenn man so etwas einfaches wie „Essen“ damit nicht erklären kann, wie will man dann Sexualität, Attraktivität, Verlangen nach Status, Liebe etc verstehen?
              Für all das gibt es biologische Modelle, die genau wie der Hunger arbeiten: Es geht um Wünsche, Vorlieben, Auswahlkriterien oder verallgemeinernd (unterbewußte) Handlungsmotivationen.

              Und damit ist dann alles, was oben geschrieben wurde, schlicht nicht geeignet, biologische Anteile auszuklammern.

              Das ganze pseudologische Kartenhaus bricht leider zusammen.

          • @Lomi

            „Folglich wäre nach Elmars Definition jede Rückführung solcher Handlungsgründe auf Biologie ein Biologismus.“

            Ja, so stimmt das. Wer einen simplen Reduktionismus von Handlungsgründen auf Handlungsursachen betreibt, der ist Biologist.

            Ich versuche gerade verschiedene Typen von Biologismus auseinander zu halten. Das wird noch eine verzweigte Diskussion.

          • djadmoros sagt:

            @Lomi

            Kann es sein, dass man hier die Unterscheidung von Handlung und Verhalten berücksichtigen muss? Dass Handlungsgründe immer sprachgestützt sind, scheint mir zur Definition von Handlung zu gehören. Verhalten ist dagegen das, was ich unbeschadet meiner Handlungsgründe tatsächlich tue. Verhalten und Handlungsgründe können kongruent sein, müssen es aber nicht. Es kann auch vorkommen, dass die Angabe von Handlungsgründen eine ex-post-Rationalisierung von tatsächlichem Verhalten darstellt, ohne dass diese Gründe der Handlung in actu tatsächlich zugrundelagen.

            Hier ist Spielraum für »vorprogrammierte« Verhaltensroutinen – was noch nicht heißt, dass diese biologische Grundlagen haben müssen. Es kann sich auch um durch Lernprozesse erworbene Routinen handeln. Oder es ist doch die Biologie, wenn ich dem Impuls zum Fressanfall nachgebe oder wenn, wie in Schwanitz‘ »Der Campus« der Professor die Studentin auf dem Schreibtisch flachlegt, weil ein Schlüsselreiz innerhalb der Handlungssituation seine Selbstkontrolle ausgehebelt hat.

            Was dann auf die Tautologie hinausläuft: es ist dann Biologie, wenn es Biologie ist – das heißt, es ist von Einzelfall zu Einzelfall zu bestimmen, was die tatsächlichen Gründe für eine Handlung/eine Verhaltensweise gewesen sind. Falsch wäre nur die Schlussfolgerung, dass *allen* Verhaltensweisen »im Prinzip« Biologie zugrundeliegt, weil das Prinzip des Lernens eben gerade die Möglichkeit impliziert, Verhaltensmuster für Situationen zu entwickeln, für die *kein* biologisches, dispositionelles Programm vorliegt.

            • @djad

              Obwohl das nicht an mich adressiert ist, ist es vielleicht doch hilfreich, wenn ich dazu was sagen:

              „Dass Handlungsgründe immer sprachgestützt sind, scheint mir zur Definition von Handlung zu gehören.“

              Das scheint mir insofern richtig zu sein, als Handlungsgründe und Handlungen begrifflich in dem Sinne zusammenhängen, als Handlungsgründe bestimmen, unter welcher Beschreibung eine Handlung absichtlich oder unabsichtlich ist.

              „Verhalten ist dagegen das, was ich unbeschadet meiner Handlungsgründe tatsächlich tue.“

              Ich nehme an, daß du die Konsequenzen dessen, was du Verhalten nennst, benutzt, um die Identität dessen festzulegen, was du Verhalten nennst.

              Wenn das richtig ist, dann gibt es keinen Grund, Verhalten und Handlungen auseinanderzuhalten. Denn die Identitätsbedingungen von Handlungen sind zwar nicht die Identitätsbedingungen von Ereignissen, aber sie Handlungen werden dennoch mit Hilfe ihrer Handlungsfolgen identitfiziert. Eine Intention zu haben, ist notwendige Bedingung dafür, daß gehandelt wurde und daher ist sie auch eine notwendige Bedingung dafür, was tatsächlich getan wurde. Verhalten als Begriff läuft unter diesen Bedingungen leer.

              Ich kann beides auch in einem eigenen Post begründen, wenn das gewünscht wird.

              Sollte eine präzise Definition von Verhalten hieran etwas ändern, würde es mich interessieren, sie zu hören.

              „Verhalten und Handlungsgründe können kongruent sein, müssen es aber nicht.“

              Warum nicht? Bring mal für beides je ein Beispiel.

              „Es kann auch vorkommen, dass die Angabe von Handlungsgründen eine ex-post-Rationalisierung von tatsächlichem Verhalten darstellt, ohne dass diese Gründe der Handlung in actu tatsächlich zugrundelagen.“

              Eine ex-post-Rationalisierung ändert nicht die Identität der Handlung, denn letztere wird für erstere vorausgesetzt. Natürlich kann man durch solche ex-post-Rationalisierungen auch versuchen, sich selbst und anderen in die Tasche zu lügen. Aber das ändert ja nichts daran, daß der Lügner schon im Moment der Lüge weiß, was er wirklich getan hat. Sonst würde er nocht lügen.

              „Hier ist Spielraum für »vorprogrammierte« Verhaltensroutinen – was noch nicht heißt, dass diese biologische Grundlagen haben müssen.“

              Nein. Kannst du die Entstehung begründen. Sprichst du von dem, was die Neurophysiologen „Zombiesystem“ nennen?

              „Es kann sich auch um durch Lernprozesse erworbene Routinen handeln.“

              Das wäre der Fall eines Zombiesystems. Biologisch ist das nicht, neurophysiologisch schon.

              „Oder es ist doch die Biologie, wenn ich dem Impuls zum Fressanfall nachgebe“

              Wie kommst du darauf? Kannst du begründen, daß etwas, was du als biologische Erklärung definierst, attraktiver ist als jede Alternative?

            • djadmoros sagt:

              @Elmar:

              »Ich nehme an, daß du die Konsequenzen dessen, was du Verhalten nennst, benutzt, um die Identität dessen festzulegen, was du Verhalten nennst.«

              Der von Dir angesetzte Handlungsbegriff umfasst tatsächlich beide von mir verwendeten Begriffe und ist als solcher auch konsistent, weil Du einen übergreifenden Begriff von Intentionalität verwendest. Meine Differenzierung von Verhalten und Handeln differenziert auch den Begriff der Intentionalität. Damit ich von Verhalten spreche, muss eine bestimmte Art von Intentionalität vorliegen, die ich der Einfachheit halber als spontane (unbewusste) Intentionalität im Unterschied zu reflektierter (kalkulierter, bewusster) Intentionalität bezeichne. Die Identität der Handlung wird davon nicht berührt.

              »Das wäre der Fall eines Zombiesystems. Biologisch ist das nicht, neurophysiologisch schon.«

              Vermutlich meine ich ein »Zombiesystem«. Ich halte die Unterscheidung von »biologisch« und »neurophysiologisch« allerdings für missverständlich, weil neurophysiologische Prozesse selbstverständlich auch biologische Prozesse sind. Der in meinen Augen entscheidende Punkt ist, dass neurophysiologische Aktivitäten je nach beteiligter Gehirnregion zu differenzieren sind: vereinfacht gesagt sind diejenigen des limbischen Systems in hohem Maße konservativ und festgelegt, diejenigen des Kortex in hohem Maße frei und »plastisch«. »Biologisch« geprägte Dispositionen sind dann derjenige Teil der im limbischen System fixierten Dispositionen, die nicht aus Prägungsvorgängen stammen, sondern tatsächlich genetisch festgelegt sind. Der springende Punkt ist, dass sie immer noch durch kortikale Prozesse »umgangen« oder eingekapselt werden können, was sie eben zu Dispositionen im Unterschied zu Determinanten macht.

              Der »Fressanfall« ist dabei freilich nicht zwingend im obigen Sinne »biologisch«, weil er auch »neurotisch« im Sinne einer erworbenen Disposition sein könnte. Dass es allerdings genetisch fixierte Dispositionen gibt, würde ich der Evolutionspsychologie tatsächlich zugestehen.

            • @djad

              Ok, das scheint mir wichtig genug, um daraus einen eignen post zu machen. Dann können wir besser dokumentieren, welchen Fortschritt wir machen.
              Wenn dir also noch was einfällt, dann trage das bitte nach, ich werde das dann in der nächste Woche aufgreifen.

              Wenn es länger wird, kann du auch einen Gastartikel bekommen.

            • djadmoros sagt:

              @Elmar:

              Als Nachtrag vielleicht nur, dass die biologische (neurophysiologische) und die philosophische Ebene einander nicht ausschließen, sondern unterschiedliche Perspektiven auf denselben Gegenstand sind: die philosophische Beschreibungsebene zielt auf die Person, die neurophysiologische Beschreibungsebene zielt auf das Gehirn. Das Gehirn ist aber nicht »Sitz« der Person oder das Bewusstseins- oder Handlungsorgan.

              Auf der einen Seite kann es daher den mereologischen Fehler geben das Gehirn mit einem Subjekt psychologischer Prädikate zu verwechseln: das Gehirn ist zwar das Organ, in dem z.B. Schmerzreize verarbeitet werden, aber es ist die Person, die Schmerzverhalten zeigt. Es ist die Philosophie, die solche begrifflichen Unklarheiten klärt.

              Auf der anderen Seite kann es den Fehler geben, die (philosophische) Beschreibung des Möglichen und Sinnvollen mit der (naturwissenschaftlichen) Beschreibung des empirisch Wirklichen zu verwechseln und die empirischen Wissenschaften (hier: die Biologie) bei der Bestimmung des Wirklichen auszublenden. Es sind die Neurowissenschaften, die uns sagen, was in Bezug auf das Gehirn der Fall ist.

              Man könnte auch sagen: die Neurowissenschaften wollen das nächste Experiment designen, die Philosophie will das zuletzt durchgeführte Experiment verstehen.

              Referenz: M. Bennett/ P. Hacker 2010: Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften. Darmstadt: WBG

            • Sehr schön, danke. Ich kenne den Bennett/Hacker schon länger.

              Ich hoffe, daß wir auf diese Weise eine sehr viel nachhaltigere Form der online-Diskussion entwickeln können.

    • @EvoChris

      „Auch das verstehst du falsch: In der Biologie geht es nicht um eine moralische Wertung, das wäre ein naturalistischer Fehlschluss.“

      In der von dir zitierten Passage kommt keine Aussagen über Wertungen vor. Was genau meinst du?

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